Köln.. Sie ist die Stimme des Sektors, eins der Gesichter beim WDR-Fernsehen und glühender Anhänger von Borussia Dortmund. Moderatorin Sabine Heinrich ist in den Tagen vor dem Champions League-Finale gegen Bayern München deutlich angespannt. Im Interview spricht die gebürtige Unnaerin über Wembley, Twitter und Mario Götze.
Frau Heinrich, Sie haben offenbar einen guten Draht zum Fußballgott, denn Ihr Wunsch wurde erhört.
Sabine Heinrich: Welcher Wunsch denn?
Sie haben 2009 in einem Interview gesagt, „schenkt mir eine Nacht wie 1997“, als der BVB den Henkelpokal gewann und Sie das Finale auf dem Dortmunder Friedensplatz in einem Baum verfolgt haben.
Heinrich: Ach, was schöne Erinnerungen. Würde ich nicht nach London fliegen, säße ich am Samstag wahrscheinlich wieder auf diesem Baum. Das war damals alles andere als bequem, und ich habe da drin gesessen, wie ein Sack Mehl. Aber egal: Es war toll.
Waren Sie damals so nervös wie heute?
Heinrich: Ich versuche mich gerade daran zu erinnern. Wahrscheinlich war ich nicht so schissig wie jetzt. Es war so unwirklich. Viel unwirklicher als das, was wir gerade erleben. Jetzt ist es wirklich im Rahmen der Möglichkeiten, dass wir diesen Pott holen. Damals war es doch auch einfach nur schön, dabei zu sein. Jetzt ist es machbar.
Sie wirken auch etwas... sagen wir: angespannt.
Heinrich: Eine 1LIVE-Krone-Preisverleihung kann ich locker moderieren, da bin ich überhaupt nicht nervös. Jetzt geht mir gerade der Allerwerteste auf Grundeis. Auch während wir gerade sprechen, geht es mir sehr an die Nerven. Ich bin überhaupt nicht rational. Während sich andere zum Beispiel mit Statistiken beruhigen, klappt das bei mir auf keinen Fall. Da fehlt mir irgendwas. Um etwas runter zu kommen helfen mir allerdings Gedanken an das DFB-Pokalfinale.
Können Sie sich in Jürgen Klopp dieser Tage hineinversetzen?
Heinrich: Will ich ehrlich gesagt gar nicht. Ich habe schon als Fan Stress genug, da muss ich mir nicht noch seinen Kopf machen. Wäre ich in seiner Situation, ich würde keine Nacht mehr schlafen und hätte zum Beispiel an meinem Badezimmerspiegel Klebebildchen von all meinen Spielern. Die würde ich dann hin und her schieben und überlegen: Sahin oder Großkreutz? Großkreutz oder Sahin? Den alten Mann im Tor lassen wir drin und vorne bleibt auch alles wie es ist...
Und das Klebebild von Mario Götze muss Klopp jetzt abknibbeln...
Heinrich: Finde ich nicht problematisch. Mir tut der Junge nur leid. Auf der anderen Seite wäre es sicherlich auch kein einfaches Spiel für Götze geworden. So oder so ist es traurig. Was aber überhaupt nicht geht, sind die Beschimpfungen im Internet gegen Mario. In Köln gab es doch einen ähnlichen Fall: Damals ist Lukas Podolski vom FC nach München gewechselt. Der Kölner hat aber nicht gemeckert und gepöbelt. Der Kölner hat sogar gejubelt, als Poldi ein Tor im Stadion des FC geschossen hat – okay, er hatte das falsche Trikot an. Aber man freute sich: “Hey, Lukas hat ein Tor geschossen.”
Ein Highlight jagt das nächste beim BVB. Meister, Double-Sieger. Jetzt...
Heinrich: Geil, oder? Der Henkelpott wäre doch eine schöne Krönung des Wegs der vergangenen Jahre. Wir sprechen seit zwei Jahren von Krönung hier, Krönung da. Jetzt gibt es tatsächlich die Möglichkeit und das hat eine ganz andere Qualität. Das würde die wunderschönen Jahre abrunden.
Und man könnte dem Verein, der einem jetzt die Meisterschaft wieder weggenommen hat, die Saison verderben.
Heinrich: Ich bin ja nicht gehässig. Außerdem ist es gar nicht so schlimm, dass Dortmund dieses Jahr nicht Meister geworden ist. Die Bayern haben das so eindeutig gemacht, da gibt es nichts zu motzen.
Apropos Bayern. Wer sind Ihnen lieber? Die Freistaatler oder die Schalker?
Heinrich: Es gibt Dortmund-Fans, die ich doof finde. Es gibt Schalker, die ich nett finde. Und ich kenne sogar einen netten Bayern-Fan. Ich finde die sportliche Rivalität lustig und es ist eine gesunde Fopperei. Ich kriege aber Pickel, wenn das Leute total missverstehen. Man sucht sich den Verein doch nicht aus, sondern wird in einen Verein geboren. Und wenn sich deshalb Leute dann schlagen, werde ich wütend. Ich gehe deshalb auch nicht mehr zum Derby. Ich muss mich im Radio manchmal echt zusammenreißen, dass ich nicht zu sehr den großen Zeigefinger schwinge. Ich würde diese Idioten allesamt gerne über das Knie legen. Es ist doch nur Fußball. Ja, es ist wichtig. Aber deshalb muss man sich nicht die Köpfe einschlagen.
Sprechen wir lieber über etwas Schönes: Noch zwei Tage, dann wird das Endspiel angepfiffen. Wo gucken Sie das Finale?
Heinrich: Ich fliege am Freitag nach London und gucke die Partie tatsächlich im Wembley-Stadion. Stark, was? Mein großer Bruder hat Tickets über die Mitgliederverlosung bekommen und nimmt die kleine Schwester mit. Leider musste er kurzfristig absagen. Das ist wirklich schade. Trotzdem wird es ein tolles Erlebnis. Ich habe aber noch gar keine Rückreise.
Was? Ein Hotel haben Sie aber?
Heinrich: Das ist auch so eine Geschichte. Ich habe getwittert, dass ich noch keine Unterkunft habe und ich mich im Notfall mit meinem Trikot einfach irgendwo hinlege. Darauf hat sich ein Follower gemeldet und mir seine Couch in London angeboten. Ich kennen den gar nicht, aber das ist jetzt auch egal – wahrscheinlich schlafe ich eh nicht und mache die ganze Nacht durch – wie 1997, da war ich 26 Stunden wach. Vielleicht hat aber noch jemand Platz im Auto? Einfach nur antwittern bitte! Wichtig ist nur, dass ich am Montag um 10 Uhr im Studio beim WDR bin.
Wirkt sich das Endergebnis eigentlich auf deine Moderation am Montag aus?
Heinrich: Ich bin gespannt, ob ich überhaupt eine Stimme habe. Falls nicht, wird eben etwas mehr Musik gespielt (lacht). Nein, aber zum persönlichen Thema mache ich das Montag nicht. Es gibt ja auch noch Menschen, die keine Fußballfans sind. Vielleicht sage ich einfach: “Ich hatte ein ganz schönes Wochenende” oder “Über das Wochenende will ich nicht sprechen”.
Deine wirkliche Stimmungslage lesen wir ab Freitag aber bei Twitter.
Heinrich: Vielleicht haue ich wieder einen Orakel-Tweet raus, wie bei dem Malaga-Spiel. Das war mein absoluter Top-Eintrag! Ich saß daheim und habe das Spiel am Radio verfolgt und in der Schlussphase geschrieben: “Zwei Tore? Machbar.” Vielleicht brauche ich in London auch keine großen Worte und schreibe nur “Tatatadaaaa.”, oder “Echte Liebe” – ich weiß es noch nicht. Habe ich da überhaupt Netz? Das wäre ein Drama. Ich, im Stadion, ohne Netz. Dann gehe ich in eine Kneipe und twittere und gucke dort.
Zwei Buden in unter zehn Minuten? #Machbar! #ucl #bvbmcf #echteliebe
— sabine heinrich (@frheinrich) April 9, 2013