Essen. . Nicolas Anelka und Didier Drogba haben China verlassen – auch Lucas Barrios würde gerne zurück nach Europa. Spielerische Armut in der Chinese Super League bei fantastisch gefülltem Konto verliert offensichtlich schnell seinen Reiz, wenn dagegen Grandiosität bei toll gefülltem Konto steht.

Dass Lucas Barrios in der Meistersaison zwei nach dem Beinahe-Kollaps von Borussia Dortmund unzufrieden war, konnten alle Fußballfans verstehen, sogar die schwarzgelben. Barrios war in Meistersaison eins schließlich der Toptorjäger des BVB. Und als ihm Robert Lewandowski den Platz im Auge des Sturms raubte, musste passieren, was immer passiert, wenn ein mit großer Qualität und großem Ego ausgestatteter Spieler auf die lange Bank verschoben wird: Er ärgert sich, er murrt, er will weg, nur noch weg.

Im Frühjahr 2012 hat sich Barrios dann verabschiedet. Aber nicht in Richtung Bundesligakonkurrenz, auch nicht nach Spanien, England, Italien oder doch zumindest in die Türkei. Der „Panther“ setzte stattdessen zu einem gewaltigen Sprung an, hinüber nach China, wo ihn Milliardärs-Klub Guangzhou Evergrande mit offenen Armen und geschätzten sechs Millionen Euro netto Jahresgehalt empfing. Zur Folge hatte das hierzulande einerseits, dass dem erst 27-Jährigen in Internetforen bescheinigt wurde, er habe einen „an der Waffel“. Andererseits wurde dem wirtschaftlichen Koloss China urplötzlich und ein wenig ängstlich aber auch zugetraut, innerhalb von kurzer Zeit zum fußballerischen Koloss anwachsen zu können, zu einem, der dazu in der Lage ist, die Besten vom Markt zu picken.

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Drogba zu Galatasaray

Diese Ängstlichkeit verfliegt gerade. Barrios hat schon nach ein paar Monaten bei Evergrande erklärt, er würde gern wieder nach Europa zurückkehren. Der ehemalige französische Internationale Nicolas Anelka war rund ein Jahr für Shanghai Shenhua tätig und hat sich dann dazu entschlossen, in Italien Zuflucht bei der alten Dame Juventus Turin zu suchen. Und am Rande des Afrika-Cups zeichnete nun Didier Drogba einen Vertrag mit Galatasaray Istanbul gegen. Begründung: „Ich freue mich darauf, wieder gegen die besten Klubs in Europa zu spielen.“

Sind die Professionellen der Branche also in den tiefen Gründen ihrer Herzen doch Romantiker? Dafür spricht, dass Anelka und Drogba sich im Spätherbst ihrer Karrieren befinden und dennoch Sehnsucht nach der europäischen Feste der Fußballtradition haben. Nach dieser Feste mit den über Jahrzehnte hinweg mit Emotionen aufgeladenen Duellen. Mit diesem Publikum, das nicht nur anwesend ist, sondern auch versteht. Mit dieser Champions League, die nicht von ungefähr Königsklasse genannt wird. Und nur leise dagegen spricht, dass selbst verblassende Ikonen wie Anelka und Drogba auch in Europa nicht Hunger leiden müssen.

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Fußball in Europa als Gesamtpaket

Über Geld wird natürlich nicht geredet. Deshalb galt das Reich der Mitte denen, die hineinstrebten, in ihren letzten Worten an die zurückgelassenen Fans ihrer Ex-Klubs meist als Abenteuerland, als Land, das ihnen neue Erfahrungen bescheren und neue Horizonte eröffnen sollte. Spielerische Armut in der Chinese Super League bei fantastisch gefülltem Konto verliert aber offensichtlich schnell seinen Reiz, wenn dagegen Grandiosität bei toll gefülltem Konto steht. Und Fußball ist in Europa eben ein Gesamtpaket und nicht wie in China ein Bündel mit Scheinen.

Ein richtig pralles Gesamtpaket sogar. Drogba „kann es nicht erwarten“, den Zuschauern von Galatasaray zu begegnen. Wichtig ist dem Superstar von der Elfenbeinküste „der besondere Wettbewerb“ Champions League, in dem für ihn als erster Kracher die Auseinandersetzung mit Schalke 04 anliegt. Noch ist er nicht am Bosporus, doch gesagt hat Drogba schon: „Es wird ein Abenteuer für mich.“