Frankfurt. . Die DFL verabschiedete wie erwartet mit großer Mehrheit ihr Konzept gegen Gewalt in den Stadien. Die Anhängerschaft fürchtet bei Stadion-Kontrollen nun Willkür – Polizei und Politik äußerten indes Zufriedenheit. DFL-Präsident Reinhard Rauball meint, dass in Sachen Sicherheit „das Loch zu ist.“

Weihnachtsmützen aller Couleur sind gestern ein sehr gefragtes Utensil gewesen. Es erfordert ja nicht nur ein gewisses Stehvermögen, sondern auch wärmende Kleidung, stundenlang vor einem gut bewachten Hoteleingang bei eisiger Kälte auszuharren. Fast 1000 Fußballfans aus allen Teilen des Landes waren am Mittwoch in den Frankfurter Stadtteil Niederrad gepilgert, als die Deutsche Fußball-Liga wie erwartet mit großer Mehrheit ein umfangreiches Maßnahmenpaket verabschiedete.

Während draußen vor dem Tagungshotel die Anhänger ihre Ablehnung ausdrückten, versicherte Liga-Präsident Reinhard Rauball drinnen, „dass die heutigen Beschlüsse die Fußball-Kultur in Deutschland nicht gefährden“.

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Aus seiner Sicht sei mit großer Geschlossenheit das Gegenteil erreicht: „Diese Beschlüsse werden helfen, die Fußball-Kultur zu schützen. Die angedrohten Eingriffe, die bis zur Abschaffung der Stehplätze reichten, sind damit vom Tisch.“ Rauball konstatierte, dass „unter dem Strich der professionelle Fußball als Gewinner“ dastehe.

Fan-Initiative „12:12“ plant weitere Proteste

Dass auf der Lyoner Straße im Büroviertel der Mainmetropole fast zeitgleich einige Böller gezündet wurden, könnte indes als das hörbare Signal der Skepsis gewertet werden. „Wir halten es für unangemessen, unter Zeitdruck solche Entscheidungen zu fällen“, sagte Ben Praße, Sprecher der Fanorganisation „Unsere Kurve“. „Wir setzen aber auf den Dialog. Wir werden keine voreiligen Schlüsse ziehen.“ Die für den Stimmungsboykott verantwortliche Faninitiative „12doppelpunkt12“ ging gleich einen Schritt weiter. „Das Ergebnis ist sehr unschön. Ich gehe davon aus, dass es neue Proteste geben wird“, ließ ihr Sprecher Philipp Markhardt verlauten. Neue Aktionen könnten sich bis in den März hineinziehen. Markhardt, Mitglieder Hamburger Ultra-Gruppierung „Chosen Few“ erklärte: „Auch der Boykott eines kompletten Spieltags ist eine Option.“ Eindruck der Fanvertreter: „Dass es innerhalb der DFL rumort, hat hier heute jeder mitbekommen.“

Tatsächlich hatten Vereine wie der Hamburger SV und Werder Bremen auf eine Verschiebung eines Beschlusses gedrängt, scheiterten aber mit 5:31 Stimmen sehr klar. HSV-Klubchef Carl-Edgar Jarchow empfand es als bedauerlich, „dass wir es nicht geschafft haben, mehr Zeit zu gewinnen, um im Dialog für mehr Vertrauen zu werben.“

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Union Berlin sieht „überflüssige Veränderungen“

Zweitligist Union Berlin drückte gar drastische Ablehnung aus und sprach von „überflüssigen Veränderungen“ – ein Vorgang, den Rauball mit Kopfschütteln quittierte. Die meisten Vereinsvertreter äußerten sich ähnlich wie Karl-Heinz Rummenigge: „Es ist nun geklärt, dass wir uns gegen Gewalt und Pyrotechnik stellen. Es war nie geplant, dass wir uns von den Fans entfernen, es scheint mir nur in der Kommunikation etwas schief gelaufen zu sein.“ Dann hastete auch der Bayern-Boss durch den Pulk der Protestler.

Dass auf beiden Seiten viel Vertrauen verspielt worden ist, war deutlich zu spüren. Christian Seifert als Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung wirkte ziemlich enttäuscht, dass „nach emotional aufgeheizten Wochen“ der Eindruck erweckt worden sei, „wir würden aus dem Elfenbeinturm einen Großangriff auf die deutsche Fankultur starten.“ Er nahm für den sachlichen Dialog mit den streitbaren Fangruppen jedoch gleich die 36 Klubs in die Pflicht.

Die Vereine brachten für die 16 einzelnen Anträge zum Teil klare Mehrheiten zustande, allerdings sind zwei der brisantesten Änderungen noch modifiziert worden. Die sogenannten Vollkontrollen, die sich hinter den erweiterten Personenkontrollen verbergen, können nur durchgeführt werden, wenn es „verhältnismäßig“ sei.

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Dazu muss der Fanbeauftragte oder Sicherheitsbeauftragte anwesend sein. Auch die Reduzierung der Kartenkontingente für Auswärtsfans kann nur bei „entsprechender Begründung“ vorgenommen werden, wie Liga-Vizepräsident Peter Peters ausführte.

Das Problem ist noch nicht gelöst

Die Anhängerschaft fürchtet Willkür – Polizei und Politik äußerten indes Zufriedenheit. Rauball zog das Fazit, dass in Sachen Sicherheit „das Loch zu ist.“ Aber das Problem ist damit noch nicht gelöst. Ein besseres Miteinander innerhalb der neu gesetzten „Leitplanken“ (Rauball) kann es nur dann geben, wenn sich die Fans vom Ligaverband auf Augenhöhe behandelt fühlen. Dass es daran gehapert hat, wird zumindest nicht mehr bestritten.