Essen.. Es war klar, dass Lionel Messi irgendwann den Torrekord von Gerd Müller brechen würde. Der Argentinier ist einfach ein begnadeter Kicker. Er ist der mit Abstand beste Fußballer seiner Zeit und einzig die Frage, wo er zu platzieren sein wird in der Ahnengalerie des Fußballs, wird noch Jahrzehnte Gesprächsstoff liefern.
Eigentlich sind der Kränze genug geflochten. Und eigentlich ist doch über diesen Lionel Messi, alles, aber auch wirklich alles gesagt, erzählt, geschrieben worden. Und doch bleibt dieser 25-jährige Argentinier zugleich auf ewig ein Mysterium. Weil die Geschichte des kleinen Jungen mit Wachstumsstörungen zu kitschig ist, die Berichte über den ruhigen, allürenfreien Superstar mit dem mustergültigen Sozialverhalten nicht passen in die Welt der Super- und Mega-Egos, wo der „Führungsspieler“ stetig Renaissance feiert, wenn die Sehnsucht nach brüllenden Wortführern gestillt werden will.
Messi ist offenbar nichts davon. Dabei ist er viel mehr. Er ist der mit Abstand beste Fußballer seiner Zeit und einzig die Frage, wo er zu platzieren sein wird in der Ahnengalerie des Fußballs zwischen Pelé, Maradona, Beckenbauer, di Stefano, Cruyff oder Puskas, wird noch Jahrzehnte Gesprächsstoff liefern. Und so lange dem Argentinier Messi der große Titel mit der Nationalelf versagt bleibt, so lange er nicht den WM-Pokal in den Nachthimmel reckt, so lange werden ihm manche Experten die höchsten Weihen, den Spitzenplatz versagen.
Messi knackte Müllers Rekord
Am Sonntagabend hat der Argentinier in Diensten des FC Barcelona nun immerhin den nächsten klitzekleinen Baustein geliefert für sein eigenes Monument. Messi hat einen Rekord eingesackt, von dem die allermeisten Menschen gar nicht wussten, dass es ihn gibt. Doch nun dient das Zahlenwerk dazu, den 1,69 Meter kleinen Wunderzwerg des FC Barcelona weiter aufzupumpen. Die beiden Tore für die Katalanen zum 2:1-Erfolg gegen Betis Sevilla waren seine Treffer 85 und 86 im Kalenderjahr 2012 – 74 davon erzielt in 66 Spielen für den spanischen Klub, zwölf weitere im Nationaltrikot der Albiceleste, der Himmelblauen.
Es ist ein Rekord, der vier Jahrzehnte hielt, aufgestellt 1972 von einem, der bewundernd „Bomber der Nation“ genannt wird: Gerd Müller. Ein, nun ja, ganz anderer Spielertyp, und bis zum heutigen Tage wäre niemand darauf gekommen, diese beiden zu vergleichen. Nun aber wurde Müller, natürlich, nach Messi gefragt: „Er ist ein Gigant“, sagte Müller und fügte amüsiert an: „Er hat eigentlich nur einen Fehler: Er spielt nicht für den FC Bayern.“
Messi wird es verständlicherweise nie als Makel gesehen haben, beim FC Barcelona gelandet zu sein, der „més que un club“, „mehr als ein Verein“ ist – und für Messi Heimat und Familie zugleich. Und so gebührten Messis erste Gedanken nach der Partie gegen Sevilla auch dem Klub: „Der Rekord ist zwar schön, aber was wirklich wichtig ist, ist, dass wir gewonnen haben und den Abstand zu den Verfolgern gewahrt haben.“
Piqué hält Messi für „übernatürlich“
Ist es kalkuliertes Understatement? Echte Bescheidenheit? Scheu? Nun ja, was soll eine derartige Zahlenspielerei einem bedeuten, der dreimal die Champions League gewonnen, fünfmal die spanische Meisterschaft errungen, zweimal den Königspokal in die Luft gestemmt, den Olympiasieg verbucht und dreimal die Wahl zum Weltfußballer gewonnen hat?
Die Prophezeiung von Barca-Trainer Tito Vilanova hat da weitaus höheren Wert: „Ich glaube, dass wir keinen besseren Spieler mehr sehen werden.“ Und Teamkollege Gerard Piqué hält Messi längst für „übernatürlich. Für ihn gibt es keine Grenzen.“
Und so entrückt begegnet jeder, der einmal Augenzeuge seiner Kunst war, diesem wundervollen Fußballer, den man mit jedem Recht als „Kicker“ bezeichnen kann. Denn Messi vermittelt vor allem eins: die pure Lust am Spiel. Etwas Schöneres kann über einen Fußballer nicht gesagt werden.