Berlin. Nach dem furiosen 4:4 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden schlichen die deutschen Spieler fassungslos durch die Mixed Zone. Wir haben die Stimmen zum Spiel gesammelt. Ungewohnt kritisch zeigte sich Manager Oliver Bierhoff.
Oliver Bierhoff (Manager der Nationalmannschaft): "Ich habe selber als Spieler auch so einiges erlebt, wobei... 4:0 zu Hause zu führen, so dominant aufzutreten und dann das Spiel noch abzugeben... Das eigentlich nicht. Es ist eine Kettenreaktion. Jeder macht weniger, wird oberflächlicher, man gewinnt weniger Zweikämpfe, macht weniger Meter, lässt dem Gegner die eine oder andere Chance. Die Schweden haben sehr schnell das 4:1 und 4:2 gemacht. Und dann fingen wir an zu wackeln. Wir sind nicht in der Lage gewesen, in irgendeiner Art und Weise den Stecker wieder reinzustecken und das Spiel zu ändern."
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Bierhoff zum DFB-Anspruch, eine Top-Mannschaft zu sein: "Es sind Dinge, die ich vorher gesagt habe und auch nach der Europameisterschaft. Wir machen häufig den Fehler, dass wir unsere Gegner dominieren, aber durch Nachlässigkeiten wieder ins Spiel bringen. Bei der EM gegen die Griechen war das so, gegen die Österreicher, auch gegen die Holländer. Das fehlt natürlich, um ganz nach oben zu kommen. Fehler, die wir heute am Ende gemacht haben, haben wir schon gegen Österreich gemacht - mit ständigen Rückpässen zu Manuel Neuer, der die Bälle dann lang nach vorn schlägt. Das hatte der Trainer klar angesprochen, dass er das nicht haben will. Aber man verfällt dann immer wieder in Muster. Wir müssen versuchen, durch unsere Spielweise, durch Ansprachen, diese Muster zu durchbrechen."
Bierhoff über den möglichen Knackpunkt: "Ich habe in meiner Karriere festgestellt, dass gerade diese Knackpunkte, die schlimmen Erlebnisse, einen auf lange Sicht weiterbringen. Das hoffe ich auch, dass das eine wichtige Lektion war, dass das den Spielern klar ist und dass sie diesen Fehler nicht wieder machen."
Bierhoff über Bastian Schweinsteiger: "Ich möchte das nicht an einer Person festmachen. Vor der EM war er ein Problem. Dann war es ein Problem, dass er nicht da war. Es ist nicht nur ein Spieler gefordert, es sind mehrere Spieler gefordert, gerade auch die mit mehr Erfahrung."
Manuel Neuer: "Schrecklich! Wir haben super angefangen, haben gut weitergemacht anfangs in der zweiten Halbzeit. Man darf das Spiel nicht mehr herschenken, wenn man 4:0 in Führung liegt, ganz klar. Wir sind uns teilweise zu sicher gewesen und das wurde eiskalt bestraft. Es war auch total unverständlich. Auf einmal kippte das Ganze. Wir haben nicht so gut gespielt wie in der ersten Halbzeit. Wir haben die Schweden eingeladen. In der Kabine hat nach dem Spiel keiner eine Rede gehalten. Jeder hat das mit sich selbst verarbeitet.
Toni Kroos: "Das ist mehr als eine Niederlage. Das ist das, was passiert, wenn jeder einen Schritt weniger macht und denkt: ,Das geht alles'. Es wird nicht immer so extrem bestraft wie heute, aber man hat gesehen, was passieren kann. Sich sicher zu sein bei so einem Spielstand ist nicht das Problem. Nachzulassen, das ist das Problem. Nach einem 4:1 und 4:2 den Schalter nicht mehr umlegen zu können. Das haben wir nicht geschafft. Da brauchen wir nicht diskutieren: Das darf einer Mannschaft wie uns nicht passieren."
Per Mertesacker: "Was bringen große Erklärungsversuche nach so einem Spiel, wo wir alle sehr enttäuscht sind? Eines, was sicherlich stehen bleibt, ist, dass, wenn man so klar führt, so überlegen ist, ein bisschen zurückschaltet, dann reicht es auf internationalem Niveau nicht mehr. Auch nicht gegen Schweden. Da wird jeder kleine Fehler, jeder Rückschritt, bestraft. Ich glaube, das ist eine wichtige Lehre aus dem heutigen Spiel. Es ist alles möglich im Fußball. Dass ich mal ein Tor schieße, ist genauso ein Ding der Unmöglichkeit wie, dass Schweden noch einmal zurückkommt und ein Unentschieden schafft. Ich glaube, das sind wichtige Lehren, die wir brauchen in so einer Qualifikation vor einem wichtigen Turniere. Erklärungsversuche sind schwierig. Man hat gesehen: Wenn jeder ein bisschen weniger macht, dann reicht es nicht mehr."
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Mertesacker über die Unterschiede zu einer Top-Mannschaft: "Ich glaube, dass besonders nach der EM eine Phase kommt, in der wir uns finden müssen und sicherlich auch negative Erlebnisse hinnehmen müssen, um vielleicht daraus zu lernen. Wir sind in einem ständigen Lernprozess. Mannschaften einfach so wegzuspielen, das funktioniert heute nicht mehr. Man muss konzentriert bleiben und seinem Stil treu bleiben. Da haben wir einiges verloren in der zweiten Hälfte."
Mertesacker über sein Tor: "Es war eher eine Randnotiz. Ich glaube, dass wir heute andere Probleme gehabt haben – vor allem in der zweiten Halbzeit."