München. FC Chelsea ist Champions-League-Sieger 2012. Der Premiere-Ligist zerstörte am Samstagabend alle Titelträume der Bayern und sicherte sich im Elfmeterschießen das erste Mal in der Vereinsgeschichte den Titel in der Königsklasse.
Finale dahoam – und was für ein Drama dahoam: 1:1 hieß es nach 90 Minuten zwischen Bayern München und dem FC Chelsea im Finale der Champions League 2012. Und 1:1 auch nach 120 Minuten – das Elfmeterschießen musste entscheiden. Und wer gedacht hatte, englische Mannschaften könnten das nie und nimmer gewinnen, wurde aus allen Träumen gerissen: Der FC Chelsea siegte 5:4 nach Elfmeterschießen, gewann die Champions League und ließ einen erschütterten FC Bayern zurück: Am Boden dahoam.
Bayern verspielte den Titel vor der eigenen Fankurve
Mehr Finale dahoam ging dabei doch auch am Ende nicht: Das Elfmeterschießen spielte sich direkt vor der Südkurve ab, vor dem Block der Bayern.
Erster Schütze: Philipp Lahm. Chelseas Keeper Petr Cech ist noch dran, aber der Ball sitzt. Dann Juan Mata gegen Manuel Neuer: Neuer hält, die Arena tobt. Dann verwandeln Mario Gomez und David Luiz, ehe, ganz überraschend, Manuel Neuer zum Punkt geht: flach unten links, Cech ist fast dran, aber nur fast: 3:1 im Elfmeterschießen für die Bayern. Und wer sich jetzt wundert: Arjen Robben hatte schon in der Verlängerung einen Elfer verschossen.
Danach trifft Frank Lampard. Ivica Olic kommt an den Punkt, Cech hält, alles wieder offen. Ashley Cole verwandelt danach ganz sicher, plötzlich hängt alles an Bastian Schweinsteiger, der treffen muss. Schweinsteiger setzt den Ball an den Pfosten und das Finale liegt in den Füßen von Didier Drogba. Drei Schritte Anlauf, der Ball ist unten rechts drin und Bayern am Boden zerstört: Chelsea gewinnt die Champions League, Bayern steht nach Meisterschaft und DFB-Pokal zum dritten Mal mit leeren Händen da.
Gejubelt wird danach nur noch in der Kurve der Londoner, der Rest ist in der Arena ist Schweigen und fassungsloses Entsetzen.
Von Beginn an sprach alles für einen Sieg der Bayern
Was war aber nicht auch seit Wochen für ein Wirbel um diese Partie gemacht worden – manchmal konnte man den Eindruck bekommen, es werde ab dem 20. Mai 2012 in Deutschland, zumindest aber in München nie mehr Fußball gespielt.
Trotzdem gingen die Bayern ihr Finale dahoam unverkrampft und engagiert an. Man muss nicht an die Macht der Statistik im Fußball glauben, aber nach 45 Minuten verrieten die Zahlen eine Menge: 60-40 Prozent Ballbesitz für die Bayern, optisch schien die Überlegenheit noch größer zu sein, dazu 13-2 Schüsse und 8-0 Ecken. Das Problem: Aufs Tor brachte Chelsea zwar nur einen einzigen Schuss, die Bayern aber auch nur zwei. Bei aller Überlegenheit fehlten vorne Präzision und die letzte Konsequenz. Und so hieß es bei den einzigen Zahlen, die im Fußball letztlich alles bestimmen: zur Pause 0:0.
Chelsea spielte wie schon gegen Barcelona sehr defensiv
Wenn ein Team hätte in Führung gehen müssen, dann die Bayern. Die Elf von Jupp Heynckes dominierte die Partie, von den Umstellungen – wie erwartet spielten Diego Contento, Anatoli Timoschtschuk und Thomas Müller für die gesperrten Holger Badstuber, Luis Gustavo und David Alaba - ließ sich München nicht beeindrucken – zumal Chelsea kaum einmal den Weg nach vorne fand. Coach Roberto di Matteo hatte eine Überraschung parat: Mit Youngster Ryan Bertrand hatte niemand in der Startelf gerechnet. Allerdings war Bertrands Aufstellung im linken Mittelfeld schon ein klarer Hinweis darauf, dass die Blues ähnlich wie in den Halbfinalduellen gegen Barcelona sehr defensiv spielen würden.
Bayern drückte also, aber auch wenn die Abwehr der Londoner überraschenderweise mehrfach wackelte, schaffte Bayern es nicht, Kapital aus seiner Überlegenheit zu schlagen. Es dauerte bis zur 21. Minute, ehe es zum ersten Mal richtig gefährlich wurde: Arjen Robben zog aus wenigen Metern ab, doch mit einer Mischung aus Hand, Fuß und etwas Glück parierte Chelseas Keeper Per Cech den Ball. Eine Viertelstunde später flankte Contento, Thomas Müller nahm den Ball direkt, zog aber links am Tor vorbei. Und kurz vor der Pause kam Mario Gomez am Elfmeterpunkt zum Schuss, geriet aber in Rücklage.
Chelsea? Eigentlich nur eine Aktion: Nach einem schönen und schnellen Angriff über Juan Mata und Didier Drogba zog Kalou aufs kurze Eck – Manuel Neuer, der vorher nichts zu tun hatte, war in der 37. Minute unten und hielt.
Auch in Halbzeit zwei gaben nur die Bayern den Ton an
So saß Bayerns Präsident Uli Hoeneß in der Pause also noch kurz auf seinem Platz, das Gesicht vom Druck gezeichnet, eine Mischung aus Hoffen und Bangen. Sein Team war überlegen, hätte leicht führen können – aber entschieden war eben nichts.
Beide Mannschaften spielten nach der Pause auf ihre Kurven. Zu beflügeln schien das aber zunächst wieder nur die Bayern. Nach 54 Minuten brandete der Torschrei durch die Arena – zu früh: Nach Pass von Robben hatte Franck Ribery getroffen, der Franzose, der so heiß auf dieses Finale war, aber vor der Pause wenig Akzente setzen konnte, stand im Abseits.
Müller erlöste Bayern zunächst mit dem überfälligen 1:0
So hingen die Bayern und ihre Fans weiter zwischen Himmel und Hölle: Bayern drückte, spielte aber zu oft durch die Mitte. Aber wen – außer vielleicht Ivica Olic – hätte Jupp Heynckes bringen können auf der arg gerupften Bayern-Bank? Chelsea blieb seiner Linie treu, stand hinten massiert und spielte nur ab und zu nach vorne – und sogar dann nie mit dem totalen Risiko. So roch es schon ein wenig nach Verlängerung, als Thomas Müller die Bayern endlich zu erlösen schien: 83. Minute, Toni Kroos flankt von der linken Seite ans rechte Eck des Fünfmeterraums, und Müller, völlig allein gelassen, köpft den Ball per Aufsetzer unter die Latte – 1:0, längst fällig, längst verdient.
Di Matteo brachte nun noch Stürmer Fernando Torrres, Jupp Heynckes im Gegenzug Verteidiger Daniel van Buyten für Müller, um das 1:0 abzusichern. Und prompt ging’s in die Hose: In der 89. Minute bekam Chelsea noch einmal einen Eckball durch Mata. Didier Drogba, von Jerome Boateng alleine gelassen, rauschte heran und köpfte das Leder zum 1:1 so knapp unter die Latte, wie Müller es kurz vorher getan hatte.
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Ausgerechnet Drogba – der tragische Held so vieler Endspiele, den man in München 89 Minuten lang nicht gesehen hatte. Und dann noch das: Als Chelsea in den drei Minuten der Nachspielzeit plötzlich offensiver wurde als in den 90 Minuten zuvor und Drogba den Ball Sekunden vor Schluss zum Freistoß vor sich liegen hatte, da wehte ganz plötzlich die Erinnerung an 1999 und Bayerns späte 1:2 im Finale gegen Manchester United durchs Stadion. Drogba schoss – weit drüber: Verlängerung.
Bayerns Robben verschoss erneut den entscheidenden Elfmeter
Und die Frage war: Wie würde Bayern den Nackenschlag des späten und sehr glücklichen 1:1 für Chelsea wegstecken? Und würde am Ende Chelseas deutlich besser besetzte Bank den Ausschlag geben, zumal mit Müller nun eine Offensivkraft fehlte?
Und es kam zunächst noch dicker: Drei Minuten waren in der Verlängerung gespielt, als Drogba Franck Ribery von hinten am Fuß im Strafraum traf: Elfmeter. Die Attacke sah zunächst gar nicht so schlimm aus, aber für Ribery war’s das Aus. Wer anders als Arjen Robben reklamierte das Leder sofort für sich? Bastian Schweinsteiger schaute schon gar nicht mehr hin, drehte sich zu Keeper Neuer. Robben schießt flach nach rechts, schießt schwach – Cech ist da und hält. Weiter 1:1 und Bayern von dan an mit Ivica Olic an stelle von Ribery.
Chelsea gestaltete die Partie nun etwas ausgeglichener, trotzdem gehörte Bayern noch eine Chance: Lahm setzte sich durch, seinen Ball brachte Gomez mit dem Körper aufs Tor, aber Gary Cahill klärte zur Ecke. Danach passierte nichts mehr – es ging ins Elfmeterschießen. Und da jubelt am Ende Chelsea.