Porto Cervo. Löw-Interview auf DFB-TV mit großer Brisanz. Der Bundestrainer fürchtet eine Bayern-Niederlage im Champions-League-Finale und übt wegen Abstellungsfrist Kritik an der Uefa. Der DFB spielte die Aussagen des Bundestrainers im Nachhinein runter.

Voller Adrenalin und hochmotiviert trafen am Dienstag die Dortmunder Double-Sieger Mats Hummels, Mario Götze, Marcel Schmelzer, Sven Bender und Ilkay Gündogan ein - eine Stunde verspätet, weil die Maschine vor dem Start ausgetauscht werden musste. "Sie sind gut gelaunt, und das dürfen sie auch. Aber man muss das Ganze auch trennen. Gefeiert haben sie nun ja genug", sagte Köpke schmunzelnd. Schon am Dienstagabend absolvierten die "fantastischen Fünf", die die Bayern in der Meisterschaft und im DFB-Pokal-Finale (5:2) gedemütigt hatten, ein leichtes Auflockerungstraining.

Während die Dortmunder Party-Combo für gute Laune sorgte, sorgten die offenen Worte von Bundestrainer Joachim Löw eher für Unruhe. Am vierten Tag des DFB-Trainingslagers auf Sardinien äußerte er sich über die missratene EM-Vorbereitung und seine Befürchtungen zu den Folgen einer Niederlage des FC Bayern im Champions-League-Endspiel. Die Vorbereitung auf die Europameisterschaft sei "zerrüttet", sagte Löw und gestand ein, dass wegen des unterschiedlichen Einstiegs der 27 Nationalspieler in die Maßnahmen "ein gemeinschaftliches Training im taktischen Bereich schwierig ist".

Löw spricht offen und voller Sorge von einer möglichen Champions-League-Niederlage des FC Bayern

In einem Interview mit Löw im DFB.TV auf der Verbands-Homepage klagte Löw: "Die Zeit ist kurz und gedrängt. Ich wünsche mir mehr Einheiten. Vielleicht muss man einige Themen streichen. Da fallen dann wieder die Standards unter den Tisch." Bei der Ausführung von Eck- und Freistößen besaß sein Team selten ein hohes Niveau, deswegen sollte eine Verbesserung in diesem Bereich forciert werden.

Die Worte, die der 52-Jährige vier Tage vor dem Champions-League-Finale des FC Bayern gegen den FC Chelsea fand, dürften in München Befremden auslösen. Löw thematisierte intensiv die Möglichkeit der Niederlage und die negativen Folgen für die Nationalmannschaft, die die acht Bayern-Profis in das DFB-Team hereintragen könnten. "Es wäre wichtig, dass sie gewinnen. Eine Niederlage wäre ein Tiefschlag für die Spieler. Wenn sie verlieren, ist die Enttäuschung groß. Dann muss ich ihnen noch zwei, drei Tage länger freigeben, damit sie das alles verarbeiten und die Motivation wiederfinden", erklärte der Bundestrainer. Vorher eine Niederlage anzusprechen, ist bei seiner Mannschaft ein Tabu, nur ein Erfolg wird normalerweise vorher thematisiert.

Löw hat bislang mit der Ankunft der Bayern am 24. oder 25. Mai gerechnet. Belegen sie nach der Bundesliga und dem DFB-Pokal wieder nur einen zweiten Platz, würde er noch länger auf den Bayern-Block in der EM-Vorbereitung verzichten. Das könnte bedeuten, dass die Münchner erst nach dem ersten Testspiel gegen die Schweiz in Basel (26. Mai) für nur noch drei oder vier Tage im zweiten Trainingscamp in Südfrankreich erscheinen.

Löw kritisiert Terminplan der Uefa und fordert eine längere Vorbereitungsphase für Nationalmannschaften

Löw kritisierte auch den Terminplan der Europäischen Fußball-Union (Uefa) und des Weltverbandes (Fifa). "Vor einem Turnier müsste man wohl doch andere Lösungen finden. Die Abstellungsperiode könnte früher sein", sagte er und forderte eine längere Vorbereitungsphase für Nationalmannschaften. "Die Uefa müsste sagen: Im Turnierjahr ist nach der Saison alle Konzentration auf die Nationalmannschaft nötig, wir wollen alle ein gutes Turnier sehen. Von daher sollten wir eine Woche mehr kriegen", erklärte der Bundestrainer. Die Vereine sind erst ab dem 25. Mai verpflichtet, ihre Spieler für die Nationalteams abzustellen.

Nachdem Löw am Sonntag verspätet in Sardinien eintraf, zwei Tage nach den ersten elf Nationalspielern, musste er zur Kenntnis nehmen, dass zwei Patienten im Hotel behandelt wurden anstatt mit der Mannschaft zu trainieren. Miroslav Klose laboriert an einer Bänderdehnung im Sprunggelenk, Lukas Podolski an muskulären Problemen im Oberschenkel. Am vierten Trainingstag konnte wenigstens Benedikt Höwedes, der vorher Wadenprobleme hatte, wieder mit trainieren.

Dass Löw den Stotterstart beim Projekt "Mission2012" klar ansprach, entwickelte eine eigene Brisanz. Die skeptischen Signale, die er damit aussendete, wurden verbandsintern völlig verkannt. Harald Stenger, der Pressesprecher der Nationalmannschaft, wurde am Dienstagmittag beauftragt, den Journalisten ein abweichendes Löw-Zitat zu überbringen: "Ich bin mit dem Trainingslager absolut zufrieden. Wir müssen eben flexibel sein." Das betreffe die Gestaltung und den Verlauf der Trainingsmaßnahme, die ab Freitag in Südfrankreich fortgesetzt wird. Das Motto laute: "Es hilft kein Jammern, wir machen das Beste daraus." Löw sei irritiert und verwundert, wie seine Aussagen bewertet würden, sagte Stenger. Der PR-Gau, hervorgerufen durch das hauseigene DFB.TV, dürfte intern kontrovers diskutiert werden. Vor Ort befindliche Medien erhielten bis Mittwoch keine Gelegenheit, Löw zu befragen. Das ZDF verzichtete daraufhin auf die Sendung von Beiträgen aus Sardinien. (dapd/sid)