Köln. . Die Ära von Theo Zwanziger als DFB-Präsident endet am Freitag nach acht Jahren mit der Stabübergabe an Wolfgang Niersbach. Im Interview blickt der 66-Jährige auf eine intensive Zeit als Chef des größten Sportfachverbandes der Welt zurück.
Theo Zwanziger, am 2. März geht nach acht Jahren Ihre Amtszeit als DFB-Präsident zu Ende. Zunächst wollten Sie erst im Oktober 2012 zurücktreten. Was hat Sie wirklich bewegt, doch schon im März auszuscheiden?
Theo Zwanziger: „Ich fühle mich mit Sicherheit nicht aus dem Amt gedrängt. Dass es auch Diskussionen gab, will ich nicht verhehlen. Aber mit DFL-Chef Christian Seifert habe ich mich nach seiner Kritik an der seiner Meinung nach zu langen Übergangszeit längst ausgesprochen. Meine Entscheidung für den Oktober hatte ja vor mit der zu diesem Zeitpunkt noch unklaren Nachfolge-Regelung und mit der Frage nach einem haupt- oder ehrenamtlichen Präsidenten zu tun. Als dann schnell klar wurde, dass Wolfgang Niersbach Präsident werden will, bestand kein Bedarf mehr mit der Amtsübergabe bis Oktober zu warten. Zumal die Satzung ja nicht verändert werden musste, weil auch Niersbach das Präsidentenamt ehrenamtlich ausüben will. Für die Zukunft gibt es jedoch gute Gründe, den Full-Time-Job als DFB-Präsident hauptamtlich auszuüben. Ich hätte mich dafür ausgesprochen.“
Wolfgang Niersbach hat sich auch dafür ausgesprochen, dass sie wie auch Ihre beiden Vorgänger Egidius Braun und Gerhard-Mayer Vorfelder DFB-Ehrenpräsident mit Sitz im Präsidium werden sollen...
Zwanziger: „Einen dritten Ehrenpräsidenten kann es nicht geben. Das schließen die DFB-Statuten aus, die ich selbst entwickelt habe. Wolfgang Niersbach hat mir zwar angeboten, die Statuten zu ändern, aber das kommt für mich nicht infrage. Es ist mir nicht wichtig. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass ich in meinen acht Jahren als DFB-Präsident gute Entscheidungen getroffen habe und der Verband gut dasteht. Zudem gehe ich nie in ein Gremium, in dem ich schon mal den Vorsitz hatte. Das habe ich noch nie gemacht.“
Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, dass sie nicht bis zum Ende der Amtszeit im Jahr 2013 Präsident bleiben wollen?
Zwanziger: „Das war schon im vergangenen Sommer. Und es hing vor allem mit meiner Wahl in die Exekutive der FIFA und der daraus resultierenden Belastung zusammen. Damit habe ich ja nie gerechnet. Nicht nur, weil ich dachte, dass Franz Beckenbauer weitermacht. Ich war nach Beckenbauers Rücktritt der festen Überzeugung, dass es jemand aus der Liga macht. Aber beispielsweise ein Uli Hoeneß betrachtet die Dinge lieber von außen als von innen.“
Vor allem die Bayern haben aber immer wieder medial gegen Sie und Ihre Handlungsweise bei der FIFA gestichelt...
Zwanziger: „Das führte zwischen uns zu medialen Schlagabtauschen, die weder dem Amt des DFB-Präsidenten noch dem deutschen Fußball bei der FIFA gedient haben. Und deswegen war die Entscheidung auch klar: entweder ich höre als DFB-Boss auf, oder ich trete bei der FIFA zurück. Nach Gesprächen mit Joseph S. Blatter am Rande der Frauenfußball-WM war für mich klar, dass ich daran mitwirken will, die Reformen bei der FIFA durchzusetzen. Deshalb werde ich auch bis 2015 beim Weltverband meine Arbeit fortführen. Wir arbeiten beispielsweise daran, eine Altersgrenze von 72 Jahren bei der FIFA durchzusetzen.“
Zurück zum DFB. Auf welche Leistungen sind sie persönlich besonders stolz?
Zwanziger: „Die gesellschaftliche Anerkennung des Fußballs war nie so hoch wie heute. Wir haben in den letzten 20 Jahren intensiv am Erscheinungsbild gearbeitet und viele Felder wie die Nationalelf, die Nachwuchsförderung, den Frauenfußball und auch die soziale und gesellschaftliche Verantwortung ausgebaut. Zudem waren Personalien wie Oliver Bierhoff und Matthias Sammer für den DFB sportlich von enormer Bedeutung. Auch Wolfgang Niersbach muss deshalb den Fußball nicht neu erfinden. Aber er muss etwas ändern, sonst hätte ich ja auch bleiben können (lacht). Vielleicht müssen im Breitensport neue Akzente gesetzt werden. Zudem wird der Kampf gegen die Gewalt und den Rechtsradikalismus den DFB weiter begleiten, auch wenn es eine heile Welt im Fußball nie geben wird.“
Dennoch: Verlässt mit Ihnen auch das soziale Gewissen den DFB?
Zwanziger: „Nein, es wäre doch eine Katastrophe, wenn das soziale Gewissen des Verbandes nur an einem Mann hängen würde. Das soziale Gewissen des DFB hat sich über die verschiedenen Stiftungen und unserem Einsatz gegen Diskriminierung und für Integration seit Jahrzehnten entwickelt und wird dies auch weiterhin tun.“
Vor allem der „braune Mob“ scheint dem Fußball aber aktuell wieder zunehmend gefährlich zu werden, wie die jüngsten Ereignisse in Zwickau und Göttingen beweisen...
Zwanziger: „Diesbezüglich müssen wir die Zivilcourage der Fans weiter stärken. Die Gefahren lauern vor allem in den unteren Spielklassen. Rassisten wissen, wo sie sich einbringen müssen. Und das Böse kommt oft in der Maske des Guten. Und das Gutmenschentum im Ehrenamt führt dazu, dass man Menschen in Verantwortung bringt, die sich gut geben, dann aber in Wirklichkeit Faschisten sind. Da müssen wir aufpassen. Das schaffen wir aber nicht alleine. Vor allem, wenn sich die soziale Lage in Deutschland verschlechtern sollte. Es muss gute Netzwerke zwischen Vereinen, Kirchen und Kommunen geben. Das bleibt eine Daueraufgabe. So wie auch der Kampf gegen Pyrotechnik.“
Das Thema "Outing" braucht laut DFB-Präsident Zwanziger noch Zeit
Ein Tabuthema bleibt auch Homosexualität im Fußball. Ärgert Sie, dass sich bis heute kein prominenter Akteur geoutet hat?
Zwanziger: „Es ist nicht die Pflicht eines DFB-Präsidenten, einen bekannten Spieler zu einem Outing zu treiben. Dieses Thema braucht noch Zeit. Der Spitzenfußball ist eine Männergesellschaft. Und in der Bundesliga spielen ja auch zahlreiche Spieler aus Kulturen, für die es schier unmöglich scheint, offen mit Homosexualität umzugehen. Selbst ich bin ja in Deutschland noch in einer Zeit aufgewachsen, in der Homosexualität strafbar gewesen ist. Und deshalb ist es auch ein langer Weg bis zur Enttabuisierung. Anders sieht es im Amateurfußball aus. Da haben sich Menschen geöffnet, die sagen, dass sie im Fußballklub weniger Probleme haben als in ihren Familien. Auch die Fanszenen öffnen sich zunehmen, was man anhand zahlreicher schwul-lesbischer Fanklubs sieht.“
Was würden Sie im Nachhinein als Ihren größten Fehler in Ihrer Amtszeit beschreiben?
Zwanziger: „Das war sicher die geplatzte Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw. Dieser Vorfall beruhte nur auf einigen wenigen Missverständnissen. Ich habe erst nach drei Tagen zum Telefonhörer gegriffen. Das hat mir sehr leid getan. Aber wir sind gestärkt aus dieser Situation herausgegangen. Und eines muss ich auch ganz klar sagen: Selbst wenn mal was bei der EM sportlich nicht ganz funktioniert, muss Löw unbedingt Bundestrainer bleiben. Er ist ein Glücksfall für den DFB.“
Nicht erfolgreich verlief der Versuch, ein Abschiedsspiel für Michael Ballack zu organisieren...
Zwanziger: „Das war allerdings sehr schade. Michael Ballack hat Großartiges für den deutschen Fußball geleistet. Und wir haben alles versucht, um die Wogen doch noch zu glätten. Aber Michael konnte leider nicht über seinen Schatten springen. Das tut mir persönlich sehr leid, aber wir können es nicht ändern. Und wir können es uns auch nicht erlauben, den Verband in eine Schieflage zu bringen und Entscheidungen von Bundestrainer Joachim Löw unterwandern. Es ist klug von uns, auf Löws Wort zu hören.“
Eines Ihrer Steckenpferde war immer der Frauenfußball. Wo steht diese Sparte nach der Frauen-WM in Deutschland im vergangenen Jahr?
Zwanziger: „Ich bin absolut zufrieden, weil ich das immer realistisch gesehen habe. Fußball ist längst kein Tabu mehr für Mädchen, wir konnten Chancengleichheit vermitteln. Im Spitzenbereich müssen wir allerdings aufpassen. Zuletzt sind wir zweimal nicht U17-Europameister geworden und haben gegen vergleichsweise kleinere Länder verloren. Da machen wir was falsch. Und auch die Entwicklung der Frauen-Bundesliga sehe ich kritisch. Bei der aktuellen Mischung aus gewachsenen Frauenfußball-Klubs und angehängten Teams, die aus der Männer-Bundesliga heraus entstanden, sehe ich kein Potenzial für mehr Zuschauer. Da brauchen wir eine Strukturveränderung.“ (sid)