Hamburg/Essen. . Der Hamburger SV hat das Experiment mit Michael Oenning beendet. Doch wer soll den schlingernden HSV wieder auf Kurs bringen. Viele Namen kursieren, darunter auch der von Huub Stevens. Es wäre bereits die zweite Amtszeit des Holländers in Hamburg.
Der Satz trug Züge eines Offenbarungseides: „Wir sollten uns vom Ergebnis, wir sollten uns insgesamt von der Tabelle lösen“, sagte Michael Oenning. Kurz zuvor hatte der HSV an jenem vierten Spieltag gegen den zuvor sieglosen 1. FC Köln in der heimischen Arena die nächste Pleite erlebt – 3:4 gegen wankende Rheinländer.
Doch der HSV-Trainer, ausgestattet mit einem freundlichem Naturell und beeindruckendem Stehvermögen, sah „den ersten richtigen Schritt in die richtige Richtung.“ Anwesende beschlich die Ahnung, hier einen falschen Film zu sehen. Der Streifen mit Michael Oenning in der Hauptrolle hat zumindest kein Happy End. Am Montag beendete der Hamburger SV das Kapitel und beurlaubte den 45-Jährigen mit sofortiger Wirkung.
Dabei hatte HSV-Sportdirektor Frank Arnesen dem wankenden Trainer noch rund 30 Stunden zuvor, unmittelbar nach der erschreckenden 0:1-Heimpleite gegen Mönchengladbach, eine weitere Partie auf Bewährung zugebilligt. „Michael Oenning wird auch beim nächsten Spiel in Stuttgart unser Trainer sein“, sagte Arnesen voller Inbrunst. „Diese Entscheidung kann ich guten Gewissens vertreten.“
Kehrtwende auf rauer See
Relativ gewissenlos folgte gut einen Tag später die totale Kehrtwende auf rauer See. Dabei, verteidigte sich der Däne gestern, habe er „noch am Sonntagabend ein gutes Gefühl gehabt, aber manchmal muss man mit dem Kopf und nicht mit dem Herzen entscheiden.“ Und der Kopf, vielmehr die Augen, können die Bilanz sehr wohl lesen. In 14 Bundesliga-Partien war Oenning saisonübergreifend für die Hanseaten verantwortlich – gewonnen wurde nur eine: Oennings Debüt im März 2011 gegen Köln (6:2).
Die erhoffte Befreiung, die ersehnte Renaissance des „Dinos“, des Bundesliga-Urgesteins, des Großklubs – sie erscheint als Fata Morgana.
Nun steht der Klub, der im Sommer mit Frank Arnesen vom FC Chelsea nicht nur einen Sportdirektor, sondern zugleich ein halbes Team neu verpflichtete, nach sechs Spieltagen, einem Punkt und 17 Gegentoren auf Platz 18. Der Umbruch sei zu stark gewesen, die Mannschaft zu jung, lautet eine gängige Misserfolgs-These, die gleichwohl vom Blick auf den Kader widerlegt werden. Gegen Gladbach etwa standen mit Drobny, Westermann, Jarolim, Jansen, Petric und Aogo jede Menge renommierter Kräfte auf dem Feld. Ein Team aber bildeten sie nicht. Am Ende war die Lage so verfahren, dass selbst Oenning dem Klub nachträglich die Absolution für die Entlassung erteilte: „Es ist auch für mich nachvollziehbar, dass der Klub in der jetzigen Situation einen anderen Weg geht.“
Zauberer gesucht
Bei der Auswärtspartie am Freitag in Stuttgart wird nun der frühere HSV-Profi Rodolfo Cardoso, derzeit Trainer der Reserve, die Elf betreuen. Als Dauerlösung aber will HSV-Boss Carl Edgar Jarchow einen Trainer, „der Deutsch spricht und unsere Philosophie, mit jungen Spielern ein neues Team aufzubauen, mitträgt.“ Neben Lokalgrößen wie Horst Hrubesch wird auch Huub Stevens als möglicher Retter gehandelt. Der Niederländer, bereits 2007/2008 beim HSV im Sold, ließ sofort verlauten: „Ich bin bereit.“ Ebenso im Gespräch: der frühere Weltklasse-Stürmer und ehemalige holländische Nationaltrainer Marco van Basten.
Doch auch diese beiden Kandidaten dürften kaum jene Fähigkeiten haben, die der Vielplauderer und manische Superlativ-Nutzer Franz Beckenbauer dem Klub anempfahl: „Ein neuer Trainer müsste ein Zauberer sein – vielleicht kann einer vom Zirkus Krone oder Zirkus Sarrasani helfen. Ein normaler Mensch hätte kurzfristig keine Chance.“ Der „Kaiser“ selbst, so viel sei dem HSV verraten, steht nicht zur Verfügung.