Gelsenkirchen. Die Rückkehr nach Schalke geriet für Manuel Neuer zum erwarteten Spießrutenlauf. Der Neu-Bayer musste Pfiffe und Anfeindungen über sich ergehen lassen. Sportlich betrachtet hatte er jedoch einen äußerst ruhigen Arbeitstag.
Der Rückkehrer wurde herzlich empfangen, die Leute sangen seinen Namen, als er vor dem Spiel den Rasen der Schalker Arena betrat, sie rechneten es ihm hoch an, dass er jahrelang für ihren Klub gerackert hatte. Der Rückkehrer nahm einen Scheck über 25 000 Euro für seine Stiftung entgegen und verschwand fröhlich winkend in den Katakomben. Der gefeierte Rückkehrer des Tages hieß Gerald Asamoah.
Einem anderen Rückkehrer wehte nicht einmal ein Hauch von Freundlichkeit entgegen. Für Manuel Neuer hatte die Fan-Regie die Rolle des Schurken vorgesehen. Transparente, Beleidigungen, Pfiffe, das ganze fette Programm: Der Torwart des FC Bayern brauchte Nervenstränge im Umfang von Flutlichtmasten, um all die Anfeindungen aushalten zu können. Als er sie überstanden hatte, stand er als Sieger da: Die Münchener hatten den Schalkern bei ihrem 2:0-Sieg fußballerisch den Unterschied zwischen einem perfekt funktionierenden und einem noch ausbaufähigen Team erklärt.
"Ich wusste ja, was mich erwartet"
Der Mann, dem Verrat an der Schalker Seele vorgeworfen wird, hatte so wenig zu tun, dass die Ballberührungen, bei denen er ausgepfiffen wurde, oft nur aus Rückpässen resultierten. „Ich wusste ja, was mich erwarten würde“, sagte der 25-Jährige hinterher. „Ich weiß ja, dass das Schalker Publikum sehr emotional ist. Wenn man sich richtig darauf einstellt, geht einiges auch hier rein und dort raus.“
Als er 40 Minuten vor Spielbeginn zum Warmmachen einlief, schleuderten ihm die Schalker Fans direkt zahlreiche üble Auszüge aus dem Wörterbuch der Gehässigkeiten entgegen. Und über der Nordtribüne hatten die „Ultras GE“ ein breites Transparent entrollt, auf dem sie ihn für gestorben erklärten und ihn als „charakterlose Marionette“ diffamierten. Während sich Neuer zumindest äußerlich davon unbeeindruckt gab, fühlte sich Jupp Heynckes stellvertretend für seinen Torwart verletzt: „Dieses Spruchband fand ich geschmacklos“, sagte der Bayern-Trainer. „Manuel hat einen einwandfreien Charakter, er ist ein super Mensch. Auf Schalke sollte man froh sein, ihn so viele Jahre gehabt zu haben.“
Heynckes hatte schon vor dem Spiel keine Sorge, dass der für seine Nervenstärke bekannte Neuer dieser außergewöhnlichen Drucksituation nicht gewachsen sein könnte. „Er ist souverän, er ist besonnen, er ist cool, er ist eine Spielerpersönlichkeit, und er zeichnet sich als Fußballer aus“, lobte Heynckes im Überschwang.
Für den Großteil der königsblauen Fans aber ist Neuer mittlerweile vor allem ein Bayer. Ein Seitenwechsler. Ein Ausgestoßener. „Wir sind Schalker und du nicht“, ließen sie ihn wissen.
Fährmann verhinderte Schlimmeres für Schalke
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Erst in der Schlussviertelstunde, als die Bayern schon 2:0 führten, ließen die Pfiffe an Intensität deutlich nach. Die Zauberer in Rot hatten nicht nur den Schalkern Spielern, sondern auch den Schalker Fans die Kraft und den Nerv geraubt.
Nach dem Abpfiff mischte sich Manuel Neuer, der nicht ein einziges Mal zur Demonstration seiner Torwartkunst gezwungen worden war, unter die ehemaligen Mitspieler, die ihn herzlich umarmten. Mit Ralf Fährmann, seinem früheren Vertreter, der nie ein schlechtes Wort über ihn verloren hat, tauschte er den Torwartdress. Und so nahm Manuel Neuer am Schluss des Abends ein Schalker Trikot in der Hand mit in die Kabine. Er ersparte es sich mit Rücksicht auf alle Empfindlichkeiten, es überzustreifen.
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