Düsseldorf. . Für Benedikt Höwedes ist das Länderspiel gegen Österreich in Gelsenkirchen ein echtes Heimspiel. Der Nationalverteidiger spricht über die Pflichten eines Kapitäns, den Jugendtrend in der Bundesliga und die Rückkehr Manuel Neuers nach Schalke.
Das Hyatt ist das Nobelhotel in Düsseldorfs Medien-Hafen, in dem die Nationalelf logiert. Mario Götze, der Dortmunder Jungstar, widmet sich am Donnerstagmittag aber nicht der Medienarbeit. Vor dem heutigen EM-Qualifikationsspiel der DFB-Auswahl gegen Österreich (20.45 Uhr/live im ZDF) in Gelsenkirchen nutzt er die Freizeit zum Sonne tanken auf der Terrasse. Nebenan stellt sich Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes dem Gespräch.
Haben Sie das erste Spiel unter Bundestrainer und Erneuerer Jürgen Klinsmann noch in Erinnerung, Herr Höwedes?
Benedikt Höwedes: Muss ich?
2004, gegen Österreich. Aber wenn Sie sich daran nicht erinnern, dann wissen Sie sicher auch nicht mehr, wer in der Innenverteidigung stand.
Höwedes: Klären Sie mich auf.
Frank Fahrenhorst und Thomas Linke.
Höwedes: Frank Fahrenhorst! Der spielt ja jetzt bei uns bei den Amateuren. Und Thomas Linke war ja auch auf Schalke!
Damals gab es eine gewisse Not in der Innenverteidigung der Nationalelf, heute herrscht der Überfluss. Was meinen Sie, woran liegt das? Ist Innenverteidigung Ausbildungsschwerpunkt oder nur irgendwie schick?
Höwedes: Innenverteidigung ist ziemlich wichtig geworden im Laufe der letzten Jahre. Da sind die, die das Spiel nach vorne eröffnen, die einen guten Ball spielen müssen. Von daher: Ja, vielleicht ist das auch ein Ausbildungsschwerpunkt.
Sie sind doch ein klassischer Innenverteidiger, oder?
Höwedes: Jein. Ich bin Innenverteidiger, schon. Aber ich habe bei der Nationalelf bisher als rechter Verteidiger gespielt und meine Sache ordentlich gemacht. Deshalb freue ich mich auch, dass der Bundestrainer mir auf dieser Position gegen Österreich wieder das Vertrauen schenkt.
Gibt es denn diesen Gedanken: Hauptsache rein in die Nationalelf, egal, wo?
Höwedes: Vorrangig bin ich glücklich, dass ich dabei bin, klar. Und, richtig, ich nehme die Position, auf der ich spielen kann.
Bleiben wir in der Verteidigung. Haben Sie das Buch Ihres Kapitäns und Außenverteidigerkollegen Philipp Lahm gelesen, „Der feine Unterschied“?
Höwedes: Nein. Ist das denn überhaupt schon veröffentlicht worden? (lacht)
Ja. Es steht auf der Bestsellerliste auf Platz eins. Möglicherweise ist es jetzt ausverkauft und Sie bekommen gar keines mehr.
Höwedes: Ich will es auch erst in nächster Zeit irgendwann einmal lesen.
Der Bundestrainer hat gesagt, es würde ihn stören, dass Themen – von Ballack bis Buch – ständig um die Nationalelf herum schwirrten. Joachim Löw findet, das lenke zum Beispiel vom Verteidigungsspezifischen ab.
Höwedes: Es gibt viele Sachen, die einen ablenken können. Aber ich glaube nicht, dass das für uns Spieler bei diesem Buch von Philipp der Fall ist. Das ist kein großes Thema in der Mannschaft.
Der Bundestrainer sorgt sich vor dem doch wichtigen EM-Qualifikationsspiel also völlig grundlos?
Höwedes: Dieses aktuelle Thema wurde hier im Kreis zwar angesprochen, einmal, aber dann war das Ding auch gegessen.
Sie sind selbst Kapitän, auf Schalke. Hat sich dadurch für Sie die Aufmerksamkeit erhöht, die Sie in der Nationalelf genießen?
Höwedes: Zunächst einmal muss man natürlich seine Leistung auf dem Platz bringen. Aber ich denke, dass der Bundestrainer auch sieht, dass ich im Verein Verantwortung übernehme. Und es ist ja in der Bundesliga generell so, dass immer mehr Trainer jüngeren Talenten vertrauen.
Manuel Neuer sind die ganzen jungen Nachwuchstorhüter namentlich sogar schon gar nicht mehr eingefallen. Er ist 25. Fühlen Sie sich mit Ihren 23 Jahren manchmal auch bereits wie ein Mittel-Alter?
Höwedes: Auf Schalke ist es schon irgendwie komisch. Wir haben das zweitjüngste Team in der Bundesliga, und wenn wir Jung gegen Alt spielen, dann gehöre ich meist schon zu den Älteren. Das fühlt sich merkwürdig an.
Sie sind als Kapitän auf Schalke Nachfolger von Neuer geworden. Mussten Sie auch alle übernehmen, die mit ihren Sorgen zu ihm gegangen sind?
Höwedes: Ich war auch in der vergangenen Saison schon Ansprechpartner für viele junge Spieler. Das hat sich vielleicht in diesem Jahr ein bisschen verstärkt, weil ich dazu bereit bin, noch ein bisschen mehr Verantwortung zu übernehmen.
Könnten Sie mal erklären, was das bedeutet: Verantwortung übernehmen?
Höwedes: Man muss sich um die Mannschaft kümmern. Man ist dafür verantwortlich, dass ein gutes Klima in der Mannschaft herrscht. Man ist der erste Ansprechpartner des Trainers und des Managers.
Ist das nicht manchmal schwierig? Trainer, Manager auf der einen Seite, auf der anderen die Spieler?
Höwedes: Natürlich ist das nicht immer einfach. Aber ich habe auch Ratgeber, zum Beispiel Christoph Metzelder, der viel im Fußball erlebt hat.
Auch einmal etwas Schwieriges: Sie haben beim Abschied von Manuel Neuer gesagt, nicht nur ein Weltklassetorhüter würde Schalke verlassen, sondern auch ihr Freund. Wie wünschen Sie als Kapitän sich seine Aufnahme durch die Fans bei seiner ersten Rückkehr?
Höwedes: Ich wünsche mir, dass man daran denkt, welch klasse Leistungen er abgeliefert hat für Schalke. Die sollte man ihm hoch anrechnen und ihm deshalb auch einen würdigen Empfang bereiten.
Empfänden Sie Pfiffe auch als falsch, weil es einfach zum Profigeschäft gehört, dass ein Spieler den Klub wechselt?
Höwedes: Manuel selbst kann ja in gewisser Hinsicht die Fans verstehen, die wütend darüber sind, dass er weggegangen ist. Aber ich glaube, sie sind vor allem wütend darüber, dass er zum FC Bayern gegangen ist. Andererseits: Manu wollte in Deutschland bleiben, und da waren die Bayern die einzige Möglichkeit für ihn, immer international mit dem Verein spielen zu können.
Wird es denn einen feinen Unterschied geben zwischen Manuel Neuers erster Rückkehr als Nationaltorhüter und seiner zweiten Rückkehr als Bayern-Torhüter am 18. September?
Höwedes: Mit Sicherheit.