München (SID) - Bayern Münchens Kapitän Philipp Lahm hat mit seinem Ex-Trainer Jürgen Klinsmann abgerechnet und ihm vor allem schwere Versäumnisse in Bezug auf die Taktik unterstellt. Kritik übt der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in seinem Buch "Der feine Unterschied", das am kommenden Montag erscheinen und bereits jetzt in Auszügen in der Bild-Zeitung veröffentlicht wird, aber auch an Louis van Gaal und an Felix Magath.
"Nach sechs oder acht Wochen wussten bereits alle Spieler, dass es mit Klinsmann nicht gehen würde. Der Rest der Saison war Schadensbegrenzung", schreibt der 27-Jährige. Klinsmann, der seit kurzem US-Nationaltrainer ist, sei als "strahlender Held der WM 2006 zum FC Bayern geholt worden, als Aufbruchssignal in die Zukunft, als Beweis dafür, dass auch der FC Bayern nicht davor zurückschreckt, seine Strukturen kompetent zu erneuern. Aber das Experiment Klinsmann war gescheitert".
Unter Klinsmann hätte der Rekordmeister "fast nur Fitness trainiert. Taktische Belange kamen zu kurz. Wir Spieler mussten uns selbstständig zusammentun, um vor dem Spiel zu besprechen, wie wir überhaupt spielen wollten", führte Lahm aus. Der frühere Bundestrainer Klinsmann wollte sich auf SID-Anfrage zu den heftigen Vorwürfen nicht äußern.
Klinsmann, der mit der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2006 im eigenen Land den dritten Platz belegte, übernahm im Sommer 2008 das Amt als Bayern-Trainer. Im April 2009 wurde der 42-Jährige fünf Spieltage vor Saisonschluss aber schon wieder entlassen.
Auch van Gaal, den Lahm während dessen Amtszeit immer wieder gelobt hatte, bekommt trotz Double und Einzug ins Finale der Champions League 2009 sein Fett weg. Der Niederländer habe dem FC Bayern zwar eine Spielphilosophie verpasst, "andererseits hat er sich während seiner zweiten Saison schlicht geweigert, die Mängel seiner Philosophie zur Kenntnis zu nehmen und zu beseitigen. Diese Mängel betreffen die Defensive", so Lahm, den van Gaal zum Kapitän befördert hatte.
Er habe das Thema mehrmals beim Trainer angesprochen. Aber van Gaal habe "weder Zweifel an sich noch an seinem System" gehabt, verdeutlicht Lahm: "Aber die Zeit der Trainer, die mit ihren Spielern nur reden, um ihnen Befehle zu erteilen, ist vorbei. Ein moderner Trainer muss seine Mannschaft zwar führen, aber er darf sie nicht gegen den Willen der Spieler zu einer Spielweise verpflichten, die der Mannschaft nicht angemessen ist!"
Auch Lahms Rückblick auf die Zeit unter Felix Magath, der 2005 und 2006 mit den Bayern immerhin jeweils das Double gewann, fällt nicht gerade positiv aus. "Felix Magath arbeitet mit Druck. Er lässt viele Spieler im Ungewissen, ob er auf sie setzt, und holt auf diese Weise ein Maximum an Einsatz aus ihnen heraus. Für die Spieler ist das sehr anstrengend, und es kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo sie nicht mehr auf der Seite des Trainers stehen", schreibt der DFB-Kapitän über den aktuellen Trainer des VfL Wolfsburg.
Im Winter 2006/2007 hätten sich viele Bayern-Profis unter Magath "auf dem Abstellgleis" gefühlt: "Der Trainer erreicht mit seinen Methoden nicht mehr den gewünschten Effekt. Einige Profis lassen sich von dem Druck, den der Trainer ausübt, auch nicht mehr beeindrucken. Seine Tricks greifen nicht mehr, man kennt sie schon." Die Entlassung im Januar 2007 ist für Lahm deshalb logisch, "ein Ermüdungsbruch zwischen Trainer und Mannschaft".
Der frühere Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld hat wenig Verständnis für Lahms Äußerungen. "Ich finde das eigentlich nicht günstig, denn als aktueller Nationalspieler sollte man sich ein wenig zurückhalten. Das ist ja ein Buch, das Kritik übt an seinen Vorgesetzten. Und da fragt man sich, warum hat er die Kritik nicht früher angebracht?", fragte der Schweizer Nationalcoach bei Sky und fügte ebenso kritisch an: "Als Klinsmann da war, als van Gaal da war, hat er sich ja auch immer zurückgehalten. Und das finde ich eigentlich schade. Das ist Philipp Lahm, der eigentlich einen guten Charakter hat, nie negativ auffällt und immer moderate Interviews gibt, ein bisschen falsch beraten."