Essen. Bengalische Feuer sind in deutschen Fanblöcken seit Jahren verboten. Das könnte sich aber bald ändern. Ultra-Fangruppen fordern eine Legalisierung der Pyrotechnik. Sie sitzen derzeit mit DFB und DFL an einem Tisch und planen Pilotprojekte.

Die Fronten schienen lange Zeit verhärtet. Im Dauerkonflikt zwischen Ultras und Verbänden glaubte kaum jemand noch an eine Lösung. „Doch die letzten Gesprächsrunden  mit dem DFB und der DFL verliefen sehr konstruktiv“, berichtet Benjamin Hirsch. Deshalb glaubt der Anwalt aus Würzburg, der die Initiative „Pyrotechnik legalisieren“ berät und Mitglied der AG Fananwälte ist, dass die laufende Spielzeit einen Wendepunkt markieren könnte. „Das Abbrennen von Pyrotechnik“, sagt er, „könnte in einigen Stadien bald erlaubt sein“.

Ultras verzichten auf Pyrotechnik

Vorerst aber sind bengalische Feuer in den bundesdeutschen Fankurven wohl nicht mehr zu sehen. Denn auf dem Weg zu einer neuen Regelung  entschlossen sich die involvierten Ultra-Gruppierungen „über einen bestimmten Zeitraum, der nicht öffentlich genannt werden soll, zu einem kompletten Verzicht auf Pyrotechnik“, erläutert Hirsch. In den Verhandlungen mit dem scheidenden DFB-Sicherheitsbeauftragten Helmut Spahn und Verbandsvize Rainer Koch habe „sich gezeigt, dass die Fans bereit sind, gewisse Kompromisse einzugehen“.

Ihre Kompromiss- und Dialogbereitschaft wollen die Ultras derzeit in der Praxis über Enthaltsamkeit unter Beweis stellen: „Die Saison 2011/12 hat begonnen und wir als Kampagne sind mittendrin in einem freiwilligen Pyroverzicht zugunsten der Gespräche mit dem DFB“, teilten die Ultra-Gruppierungen unmittelbar nach dem ersten Bundesliga-Spieltag mit. Auf lange Sicht hätten DFB und DFL keine andere Wahl gehabt, als den Dialog mit den Fans zu suchen und auf sie zuzugehen. „Die Verbände haben eingesehen, dass sich Pyrotechnik auf Dauer nicht verhindern lässt“, sagt Hirsch.

Bengalos als Stilmittel der Fankultur

Ihren Standpunkt begründet die Initiative „Pyrotechnik legalisieren“, der 160 Fangruppen angehören, mit dem bengalischen Feuer als  essentiellem Stilmittel der Fankultur.  „Wir sind Anhänger einer lebendigen und fröhlichen Pyrotechnik. Wir lieben die einzigartige Atmosphäre, wenn die Mannschaften auf den Platz kommen und von rotem Leuchten unter Flutlicht begleitet werden. Wir lieben die Emotionen, die mit einem Freudenfeuer nach dem Tor verbunden sind. Wir lieben es, wenn die Kurve in einem Meer aus Farben untergeht. Wir lieben die Pyrotechnik, so wie wir unsere Zaunfahnen, Choreographien, Gesänge lieben. Und: wir werden sie uns nicht nehmen lassen“, betont die Initiative in  ihrer Erläuterung zum Sinn und Zweck der Kampagne.

Hirsch betrachtet vor allem die Entkriminalisierung, also eine Veränderung der Gerichtspraxis,  als ein wichtiges Ziel. „Das Abbrennen von Pyrotechnik“, erinnert der Anwalt, „gilt schließlich derzeit noch als Straftat, unter anderem als versuchte Körperverletzung. Es werden hierbei scharfe juristische Schwerter geschwungen. Die Konfliktspirale wird damit hochgekurbelt.“ Um dem entgegenzuwirken, müssten Kooperationsstrategien verfolgt werden: „Es ist eine Zusammenarbeit zwischen Ultras, Vereinen und den örtlichen Sicherheitsbehörden geplant.“

Vereine sollen Pyro-Zonen ausweisen

Im Rahmen der anstehenden Pilotprojekte sollen dann auch konkrete Maßnahmen  erprobt werden.  Diese erläutert Hirsch im Einzelnen: „Die Vereine müssen zunächst Zonen in ihren Stadien ausweisen, in denen Pyrotechnik erlaubt ist. Hier müssen dann beim Abbrennen bestimmte Sicherheitsabstände eingehalten werden. Gut möglich, dass sich diese Regelungen von Ort zu Ort stark unterscheiden, denn jedes Stadion ist anders“, weiß Hirsch.

Ein zweiter Punkt sei „die Vereinfachung der Haftungs- und Regressgrundlage“. Heißt konkret: „Die Fans, denen das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände erlaubt ist, müssen den Vereinen und Ordnungsbehörden bekannt sein.“ Diese trügen in den Stadien dann unter Umständen aber auch die Verantwortung für gegebenenfalls unerlaubtes Handeln anderer Personen in ihrem Umfeld.

Ferner sollen bengalische Feuer, wie Hirsch betont, „den Spielfluss nicht stören dürfen. Pyrotechnik wird damit nur vor den Partien, während der Halbzeitpause und nach den Spielen erlaubt sein.“ Ein „Freudenfeuer nach dem Tor“, wie es die Ultras in der Erklärung zu ihrer Kampagne propagieren, bliebe somit weiterhin verboten. Zugleich bliebe fraglich, ob derartige Auflagen überhaupt mit dem gegenkulturellen Grundgedanken der Ultras vereinbar wären.

DFB hält sich vorerst bedeckt

Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Die Verhandlungen sind in vollem Gange. „Der DFB führt derzeit noch mit allen beteiligten Gruppierungen Gespräche bezüglich der Pyrotechnik-Pilotprojekte“, teilte der Verband auf Anfrage von DerWesten mit. Man könne „daher derzeit für keine offizielle Stellungnahme zur Verfügung stehen“. Erste Ergebnisse wollen die DFB-Verantwortlichen aber noch „im Laufe des August“ präsentieren.