Essen. . Die Männer und Frauen schreien und zetern, als ob auf dem Fußballplatz der BVB oder Schalke kickt. Dabei sehen sie sich ein Bambini- oder F-Jugend-Spiel an. Jetzt steuern Vereine gegen aggressive und überehrgeizige Eltern und verbannen gleich alle vom Spielfeldrand.

Es hätte so ein schönes Jugendfußball-Spiel werden können: 14 Steppkes auf dem Platz, keiner älter als acht Jahre, alle mit dem Wunsch, irgendwann einmal so zu kicken wie die Raúls und Schweinsteigers dieser Welt. Sie rennen, köpfen die Bälle Richtung Tor und versuchen sich in Manndeckung.

Bottroper Bambini gegen Oberhausener – ein schöner Fußball-Nachmittag? Nein, denn am Ende stehen Klein-Kevin und Cedric bedröppelt auf dem Platz, während Papa und Mama auf den Schiedsrichter losgehen. Der ist gleichzeitig einer der beteiligten Trainer. Sein Kollege mischt sich auch noch ein. Was folgt, ist nicht jugendfrei. Das Spiel muss abgebrochen werden, die Spruchkammer des Fußballverbandes verhängt Geldstrafen.

Randale am Spielfeldrand

Sie treten immer häufiger unangenehm in Erscheinung: ehrgeizige und teils gewaltbereite Eltern, die am Spielfeldrand den Nachwuchs triezen und am liebsten selbst mit der Pfeife auf dem Platz stünden. Randale am Spielfeldrand. Der Fußballverband Niederrhein zieht Konsequenzen: Er will die Eltern vom Spielfeldrand verbannen. Und empfiehlt seinen Kreisen daher, sich in Zukunft an die Regeln der „Fair Play Liga“ zu halten, einem Projekt des Fußballverbandes Mittelrhein.

Mindestens 15 Meter Abstand vom Platz müssten die Zuschauer demnach künftig halten. Handgreiflichkeiten mit dem Unparteiischen sollen vermieden werden. Was nicht allzu schwer fallen dürfte, denn Schiedsrichter sind in den „Fair Play Liga“-Regeln gar nicht mehr vorgesehen. Zumindest die Bambini und F-Junioren, also Kinder bis zu zehn Jahre, müssen künftig selbst über Tore, Elfmeter und Strafminuten entscheiden.

„Die Kinder sollen einfach nur in Ruhe Fußball spielen können“

„Das machen sie in ihrer Freizeit doch auch“, sagt Robert Ehlen, Bildungsreferent des Fußballverbandes Niederrhein. „Was auf dem Bolzplatz funktioniert, klappt auch im Vereinsspiel“, ist er überzeugt. Grund für die „Fair Play Liga“-Empfehlung seien vor allem schlechte Erfahrungen mit Eltern gewesen, die viel zu viel Einfluss nehmen würden. „Die Kinder sollen einfach nur in Ruhe Fußball spielen können.“ Aachen war Vorreiter bei der Befriedung des Spielfeldrandes, Vereine in ganz Deutschland würden sich dem aber nun nach und nach anschließen, sagt Ehlen.

Die Resonanz in seinen Verbandskreisen und Vereinen ist allerdings zwiegespalten. In Moers etwa kicken Nachwuchs-Fußballer schon seit längerem nach den neuen Regeln. „Es gibt immer noch Betreuer, die halten das für absoluten Müll“, erzählt Hans Leuchtenberger vom Moerser Kreisjugendausschuss. „Aber die Kinder kommen gut damit klar“, und das sei schließlich das Wichtigste. Thomas Primon kann das nur bestätigen. Für den Schiedsrichter-Obmann sei es anfangs gewöhnungsbedürftig gewesen, „aber das Spiel ohne Schiri kommt dem Spielverständnis der Kinder am nächsten“.

Andernorts scheint man weniger vom Konzept überzeugt zu sein: Im Kreis Duisburg, Mülheim, Dinslaken entscheiden die einzelnen Vereine, ob sie in der „Fair Play Liga“ spielen oder nicht. Lediglich drei positive Rückmeldungen habe er erhalten, zeigt sich Friedhelm Osada enttäuscht. Das Mitglied des Kreisjugendausschusses ist überzeugt, dass Kinder ihre Spiele selbst regeln können. Daher wollen die Verantwortlichen die Vereine ab der Saison 2012/2013 zu ihrem Glück zwingen, geplant ist die verpflichtende Einführung der neuen Regeln für alle Bambini- und F-Jugend-Spiele in den drei Städten.

Elternbeschwerden sind zwecklos

Diesen Schritt ist der Kreis Essen Süd/Ost bereits gegangen. Ab der kommenden Saison müssen sich Eltern vom Spielfeldrand fernhalten, Schiris oder Spielleiter wird es in den beiden untersten Altersklassen nicht mehr geben. „Wir haben das Konzept bei den Sportfreunden 07 getestet, alle sind begeistert“, freut sich Hans-Jürgen Ruppel, Beisitzer des Essener Jugendausschusses. „Sogar die Eltern haben eingesehen, dass ihr Fernbleiben auch Vorteile bringt“, ergänzt er. Und sollten sich doch Eltern beschweren? „Tja, das bringt überhaupt gar nichts“, sagt er. „Wir haben das als Kreis jetzt so beschlossen, und dabei bleibt es auch.“

Und so hofft Hans-Jürgen Ruppel, dass Eltern in Zukunft auch endlich mit der unsäglichen Marotte aufhören, heimlich Tabellen zu erstellen und bei Spielen zu verteilen: „Dieses unnötige Druck machen ist nämlich ebenfalls verboten.“