München. Manuel Neuer hat sein erstes Training beim FC Bayern absolviert – und wurde von den Fans mit Applaus empfangen. In den letzten Monaten des Wechseltheaters hatten sich seine Nerven angefühlt wie nackte Füße auf zerbrochenem Glas.

Wenn mal wieder ein Neuer zum FC Bayern München kommt, ist niemand beim Fußball-Rekordmeister nervös. Alltagsgeschäft. Wenn allerdings Manuel Neuer seinen Dienst antritt, dann zeigen sie selbst bei den Bayern Nerven. Und dann fährt der Nationaltorwart, der vom FC Schalke 04 nach München wechselte, auch noch in einem Auto mit Gelsenkirchener Nummernschild vor...

Es ist Samstagmittag, doch der Verein will das Stadion fürs Publikum erst um 15.30 Uhr zum ersten gemeinsamen Saisontraining aller Stars öffnen. Während die Fans vor den Toren die ersten Bratwürste der neuen Spielzeit probieren, spielt sich in einer VIP-Loge der Arena der spannendste Moment des Fußball-Tages ab. Der Verein hat Sorge, dass die Fans zum Neuer-Empfang zwar mit Blumen werfen, dabei aber leider die Töpfe dran lassen könnten.

Ultras gegen Neuer

Die Fanklubs der hart gesottenen Ultras, die sich zum Beispiel „Schickeria“ nennen, mögen den Ex-Schalker nicht, weil der gerne ein T-Shirt der Gelsenkirchener „Buerschenschaft“ unter dem Trikot trug. Also hatte die „Schickeria“ im Frühjahr auf der Stadiontribüne Plakate verteilt, auf denen stand „Koan Neuer“.

Daher sitzen die Vertreter der Ultras an diesem Mittag in der VIP-Loge und warten auf ein klärendes Gespräch mit Neuer. Doch der 25-Jährige erscheint nicht. Stattdessen rauschen der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge und die Bayern-Kapitäne Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger herein. Die Bayern haben Angst, dass die Diskussion aus dem Ruder laufen könnte – und Neuer damit schon vor dem ersten Training einen schlechten Stand hätte.

Die Tür fällt ins Schloss, die Öffentlichkeit bleibt draußen. Später sagt Lahm: „Ein sehr sachliches Gespräch, Manuel hätte ruhig dabei sein können. Alles in Ordnung.“

Aber noch fehlt der Beweis, der erst um 17.21 Uhr folgt. Fast 30.000 Fans begrüßen jeden der Bayern-Spieler, die einzeln auf den Rasen der Arena gerufen werden, mit Applaus. Als Letzter wartet Neuer im Spielertunnel, künstlicher Nebel wabert über die Treppe, dann läuft der Torwart ins Stadion. Donnernder Applaus  –  Neuer ist ein Bayer!

In den letzten Monaten des Wechseltheaters hatten sich seine Nerven angefühlt wie nackte Füße auf zerbrochenem Glas, doch nun findet Neuer endlich seine innere Ruhe. „Ich habe ein paar SMS und ein paar Anrufe gekriegt“, beschreibt er die Reaktionen auf seinen ersten Arbeitstag im Bayern-Trikot. „Nichts Kritisches dabei.“

Neuer, der im Mannschaftskreis gerne aus sich heraus geht, war in der Öffentlichkeit noch nie ein großer Redner. An diesem Nachmittag klingen seine Worte in den Ohren der Schalker aber wie eine Reifeprüfung der Ernüchterung. Bisher hat Neuer als Profi ausschließlich für Königsblau gespielt. „Es ist ein anderes Gefühl als bisher“, beschreibt er seinen ersten Tag in München. „Aber es ist schon schön.“ Es sei ein „befreiendes Gefühl“, die Last des Transfers endlich abgeschüttelt zu haben. Er atmet tief durch, Schluss mit frustig!

Die Bayern sind geschickte Medien-Politiker, und nachdem die Geschichte um Neuer vom Eis ist, schalten sie vor den Kameras sofort um und lenken den Blick auf andere Themen. Bloß keinen Rückfall riskieren. Rummenigge übernimmt für den Präsidenten Uli Hoeneß, der lediglich im Hintergrund steht und lächelt, die Abteilung Attacke.

Der Titel ist das Ziel

Natürlich, so der Vorstands-Chef, wolle Bayern Meister werden. Wo Klubs wie Dortmund sich in Understatement üben würden, würde in München eben Klartext bevorzugt. Rummenigge redet und redet. Er redet so viel, dass er sich fast schon am ersten Saisontag den schwarzen Gürtel im Nervensägen erwirbt. Denn: Echte Neuigkeiten hat er nicht. Man bemühe sich um den Leverkusener Arturo Vidal und Jerome Boateng von Manchester City, aber das weiß jeder Bayern-Fan sowieso.

Neu ist nur ein Satz von Manuel Neuer. Auf die Frage nach seinen Zielen sagt er: „Ich will Deutscher Meister werden, sofort!“