Berlin. Die Vorwürfe erinnern an den Fall der Leichtathletin Caster Semenya. Immer wieder behaupten Konkurrenten, einige Spielerinnen von Äquatorial-Guinea seien Männer. Zwei sind deshalb erst gar nicht im WM-Kader.
Genoveva Anonma war gedemütigt, tief gekränkt - wie alle zwei Jahre. Nach jeder Afrikameisterschaft im Frauenfußball gehen die Diskussionen wieder los. 2006 war es so, 2008, und auch 2010, irgendein frustrierter Rivale findet sich immer. Der Vorwurf: Im Team Äquatorial-Guineas, das sich für die WM in Deutschland qualifiziert hat, spielen Männer mit. Männer, die sozusagen ihre Frau stehen.
Genoveva Anonma hat gerade einen Vertrag beim deutschen Meister Turbine Potsdam unterschrieben, und auf die bohrende Geschlechterfrage hat sie so viel Lust wie das Kind auf den Zahnarzt. Sie habe früher schon Tests absolviert, die "ich sehr verletzend finde", sagte die 22-Jährige zuletzt.
2010 war es die nigerianische Trainerin, die nach dem Afrika-Cup-Finale ziemlich verletzend wurde. "Wie 2008 spielen bei ihnen mindestens zwei Männer mit", sagte die Dame namens Eucharia Uche. Der Kontinental-Verband müsse jetzt sofort einschreiten, denn wenn der Skandal "erst in Deutschland auffliegt", das wäre für ganz Afrika doch "furchtbar peinlich". Garniert wurde der Skandal mit der Experten-Aussage einer Spielerin: "Beim Zweikampf spürt man sofort, dass es Männer sind!"
Nichts spricht dafür, dass irgendetwas auffliegen oder furchtbar peinlich werden wird, von Frau Uche vielleicht einmal abgesehen. "Meldungen, wonach in unserem Frauenteam zwei Männer zum Einsatz kommen, entbehren jeder Grundlage", erklärte der Verband Äquatorial-Guineas, verbunden mit dem spitzen Hinweis, die Gerüchte stammten aus "Medien von Gegnerländern."
Simpore-Schwestern nicht im Kader
Neben Anonma sollen auch die Schwestern Biliguisa und Salimata Simpore im falschen Gewand unterwegs sein - nun stehen sie nicht im WM-Kader. Hauptgrund, sagte Verbandspräsident Bonifacio Obiang der Bild-Zeitung: Der Geschlechtstest. "So lange dieser nicht stattgefunden hat, können sie nicht teilnehmen, hat die FIFA uns informiert." Dabei hatte der Weltverband bereits entschieden, dass in der Mannschaft keine Männer spielen.
Am 30. Mai aber verabschiedete die FIFA neue Richtlinien für Geschlechtsüberprüfungen. Im Falle "begründeter Zweifel" könne ein Test beantragt werden, heißt es dort, aber: "Individuelle Fall-Behandlung ist vorgeschrieben, um die Würde und Privatsphäre jedes Einzelnen zu schützen." Erniedrigend ist es so oder so.
In Afrika kamen schon Forderungen hoch, das Problem sei ganz einfach zu lösen: Hosen runter!
Fall Semenya zeigt die Probleme
So leicht ist es aber nicht, wie der Fall Caster Semenya zeigte. Die südafrikanische Leichtathletik-Weltmeisterin über 800 m musste eine fast einjährige Zwangspause einlegen, bis der Weltverband IAAF entschied, sie dürfe weiter in Frauenrennen antreten. Semenya wurde vorgeführt, völlig verunsichert, Experten versicherten, sie habe männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale. In Südafrika wurde Semenya von einer Illustrierten quasi als "Gegenbeweis" auf der Titelseite wie ein Vamp inszeniert.
Genoveva Anonma will von alledem nichts wissen - und tut gut daran. Sie saß mit zwölf Jahren erstmals auf der Auswechselbank, jetzt geht ihr Traum von der Fußball-WM in ihrer Wahlheimat in Erfüllung. Den will sie sich auf keinen Fall versauen lassen. "Ich habe nie gelernt, Fußball zu spielen", sagt sie. Und fügt hinzu: "Ich wurde damit geboren." (sid)