Kamen. .

Keine schwarz-rot-goldenen Fähnchen, keine Schminke, keine Fanartikel, ja nicht einmal ein Poster mit den Protagonistinnen kann man in der Fußgängerzone entdecken. Fast scheint’s, als zeige Kamen dem Frauenfußball die kalte Schulter. Und dabei soll in nicht einmal 14 Tagen mit der WM im eigenen Land ein neues Sommermärchen geschrieben werden.

Public Viewing? Die Kamener Gastronomen winken ab. „Da wird wohl nichts Großartiges abgehen“, glaubt Erdinc Celik vom „Opera“. Klar, die Fernseher werden in der Kneipe laufen, „aber so’n Hype wie 2006 oder 2010 wird es nicht geben“.

Auch bei der Stadt sind keine besonderen Aktivitäten geplant. „Eigene Veranstaltungen sind nicht vorgesehen und uns sind bisher auch keine Anfragen von Gastronomen bekannt, die public viewing anbieten wollen“, erklärte gestern Pressesprecher Hanno Peppmeier.

Umso größer ist die Vorfreude bei Insidern des Frauen-Fußballs. Einer von ihnen ist Peter Steinberg, scheidender Trainer des BSV Heeren und dort künftig als sportlicher Leiter tätig. „Man darf Männer- und Frauenfußball nicht miteinander vergleichen“, meint er. „Die Stimmung ist nicht euphorisch wie 2006, aber dennoch kann die Frauen-WM eine sehr schöne Geschichte werden, wenn auch in einem kleineren Rahmen.“ Er sei ganz sicher, dass diese WM im eigenen Land viele Mädchen ermuntern wird, Fußball im Verein zu spielen: „Das ist auch eine große Chance für die Kamener Vereine. Sie müssen dafür sorgen, dass es entsprechende Spielmöglichkeiten gibt.“

Auch Carsten Jaksch-Nink, Leiter des SportCentrums Kaiserau spricht von einer Riesenchance: „Schon 2006 hat es einen Boom auch im Mädchenfußball gegeben. Ich bin sicher, der wird sich fortsetzen, wenn unsere Damen im eigenen Land erfolgreich sind.“

Profitieren könnte sicher auch das Mädchen-Fußballinternat des FLVW im SportCentrum Kaiserau, dass schon heute einen exzellenten Ruf hat, obwohl es erst seit gut drei Jahren existiert. Drei der dort geförderten Mädchen sind Lina Magull, Annabell Jäger und Franziska Bröckl. Alle drei gehören der deutschen U17-Nationalmannschaft an, alle drei besuchen weiterführende Schulen in Kamen und Unna. Und alle drei spielen gemeinsam beim Zweitligisten FSV Gütersloh. Der Frauen-WM fiebern sie mit entgegen.

„Wir würden uns ja auch gerne ein Spiel live anschauen, aber die deutschen Begegnungen sind ja scheinbar alle ausverkauft“, sagt Lina Magull, die gemeinsam mit Franziska Bröckl das Gymnasium Kamen besucht. Annabel Jäger, bis letzten Sommer noch auf der Realschule in Kamen, besucht inzwischen das Berufskolleg in Unna. Alle drei wissen, wie wichtig Schule ist. „Im Gegensatz zu den Männern, können wir ja nicht vom Fußball leben“, sagt Annabel Jäger, die später einmal Polizistin werden möchte. Doch das ist noch weit hin. Erstmal wollen alle drei kräftig an ihrer Fußball-Karriere feilen. „Eines Tages auch mal in der Frauen-Nationalmannschaft stehen, das wäre ein Traum“, gesteht Lina Magull. Dass Deutschland Weltmeister wird, das hoffen alle drei. „Und es wäre schön, wenn möglichst viele Leute zuschauen würden, um sich davon zu überzeugen, wie schön Frauen spielen können“, meint Annabel. „Also Leute“, appelliert sie, „Holt die Fahnen raus - und ab geht die Fan-Party.“