Frankfurt. . Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus ist bis heute die einzige Frau im Profifußball, seit vier Jahren pfeift sie Zweitligaspiele, ist nun als einzige Deutsche bei der Frauen-WM dabei – und könnte bald in der Männer-Bundesliga das Spiel übernehmen.
Schiedsrichterin also. Vermutlich hat es ja so kommen müssen. Ihr Vater, sagt Bibiana Steinhaus, hat früher gepfiffen und sie war immer dabei. Dort, wo es Schiedsrichtern weh tut. Wo der Fußball auf Asche zu Hause ist und die Herren mit Bier und Bauch am Rand stehen und man als Schiedsrichter jedes Wort hört, jede Kritik und jede Beleidigung, gegen die man nichts tun kann, weil Männer mit Bier und Bauch es grundsätzlich besser wissen. Jedenfalls beim Fußball.
Das war die harte Schule der Harzer Amateurligen, für ihren Vater auf dem Platz und für sie daneben, aber Bibiana Steinhaus hat das nicht davon abgehalten, auch Schiedsrichterin zu werden. Die Mutter kommt dabei ins Spiel. „Sie würde sagen, ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“, sagt Steinhaus.
An der Kugel "relaiv talentfrei"
Nun sitzt sie in Frankfurt am Main in der DFB-Zentrale. Man hat ein U aus Tischen und Stühlen gebildet, Bibiana Steinhaus vor Kopf platziert und nun soll sie sagen, was Druck für sie bedeutet. „Druck ist, hier zu sitzen“, sagt Steinhaus. Das nimmt man ihr ab. Auf ein Gespräch mit einem Pulk von Journalisten kann man sich kaum vorbereiten, und Bibiana Steinhaus wirkt wie ein Mensch, der höchst ungern unvorbereitet ist.
Sie hat es weit gebracht seit sie daheim in Bad Lauterberg im Harz die ersten Fußballspiele angeschaut hat, immer dann, wenn ihr Vater auf dem Platz stand. Bibiana Steinhaus hat es selbst an der Kugel versucht, aber nicht lange. Sie besitzt da eine gesunde Selbsteinschätzung: „Ich gebe zu, das war relativ talentfrei“, sagt sie. Aber das Talent und das Auftreten zur Schiedsrichterin, das hat sie: Steinhaus ist die erste und bis heute einzige Frau, die es in den Profifußball geschafft hat. Seit vier Jahren pfeift sie Zweitligaspiele, in zwei Wochen ist sie als einzige Deutsche bei der Frauen-Weltmeisterschaft dabei, und kurz vor Beginn der WM fällt eine andere, vielleicht wichtigere Entscheidung: Dann entscheidet das DFB-Präsidium, ob Steinhaus ab August in der Bundesliga pfeifen wird.
Die Kader der FIFA-Frauenfußball-WM
Keine dummen Sprüche mehr auf dem Platz
Das Zeug dazu, das bescheinigen ihr alle Beobachter, hat sie. Es ist in Schiedsrichterkreisen das große Thema: Holt der DFB sie mit ihren 32 Jahren nach ganz oben? Oder scheut der Verband den Vorwurf, wegen der Frauen-WM populistisch zu handeln? An Steinhaus’ Auftritten in der 2. Liga gibt es jedenfalls so gut wie nichts zu kritteln. Die Debatten über eine Frau, die Männerspiele pfeift, sind Vergangenheit. Es gibt keine dummen Sprüche mehr auf dem Platz und Spieler, die ihre Grenzen austesten, bilden die Ausnahme.
Vielleicht, weil Steinhaus eine natürliche Präsenz auf den Platz bringt ohne jemals ins Rampenlicht zu drängen. „Ich bin jemand“, sagt sie, „die ihre Erwartungshaltung vor dem Spiel klar formuliert.“ Damit sind die Grenzen gesteckt, die Regeln umrissen – wer sich daran hält, fährt gut mit ihr.
Als Polizistin am Castor-Transport gestanden
Das verrät auch etwas über den Privatmenschen Steinhaus. Sie ist Polizistin geworden, inzwischen mit reduzierter Stundenzahl im niedersächsischen Innenministerium in Hannover, aber sie hat auch schon am Castor-Transport gestanden. Was sie dort im Umgang mit Demonstranten erlebt hat, lässt sich auf den Platz übertragen: Ein Fußballteam, sagt Steinhaus, sei wie jede Gruppe von Menschen: „Es gibt Leitwölfe, es gibt Mitläufer. Im Grunde versucht man auf dem Platz, das Zusammentreffen von Menschen in Bahnen zu lenken. Schiedsrichter, das ist ein Manager von Persönlichkeiten.“
Das klingt nach einer Frau, die sich Gedanken über ihren Beruf bei der Polizei und ihre Berufung auf dem Platz gemacht hat. Es passt zu ihrem Auftritt: Steinhaus wirkt selbstbewusst, sie hält auf ihr Äußeres, sie trägt gerne großen Schmuck, unter anderem einen Ring in Form eines Fußballfeldes an der linken Hand. Sie redet vollkommen druckreif, so klar und präzise, wie es nur wenige Profis können. Wenn sie lacht, bleibt ihr Lachen lange im Gesicht stehen.
Und doch hält Steinhaus auf Distanz. Zu Menschen, die sie nicht kennt, zu Dingen, die da kommen. Die WM schreckt sie nicht, die Bundesliga, wenn’s denn klappt, auch nicht. Sie hat sich vorbereitet und wird versuchen, „Leistung anzubieten.“ Ihre Abgeklärtheit, sie kann kein Zufall sein: Die harte Schule, da, wo Fußball weh tut, hat Steinhaus hinter sich.