Hamburg (SID) - Gerald Asamoah hat mit seinem Siegtreffer zum 1:0 (0:0)-Erfolg des FC St. Pauli beim übermächtig scheinenden großen Nachbarn Hamburger SV ein Stück Hamburger Fußballgeschichte geschrieben.
Die rund 6000 Anhänger unter den 57.500 Fans im Stadion bejubelten den ersten St. Pauli-Sieg im Stadtduell seit 1977 frenetisch und mit Sprechchören für Asamoah, während die HSV-Fans überwiegend fassungslos und mit Pfiffen auf die peinliche Pleite reagierten.
"Das ist der bitterste Moment seit ich beim HSV bin. Wir hatten genügend Chancen, das Spiel zu gewinnen", sagte HSV-Sportdirektor Bastian Reinhardt, während Kapitän Heiko Westermann erklärte: "Wir waren die klar bessere Mannschaft. Die Enttäuschung ist riesig."
Während die HSV-Spieler mit hängenden Köpfen in die Kabine verschwanden, bildeten die Sieger einen Jubelkreis und feierten ausgelassen mit ihren Fans. "Das ist etwas besonderes. Wir wussten, dass wir eine Chance haben", meinte Matchwinner Asamoah.
Der Aufsteiger übernahm mit dem Sieg zugleich die Tabellenführung in der Rückrundentabelle und verdrängte im Abstiegskampf mit 28 Punkten Eintracht Frankfurt von Rang elf. Der HSV vergab dagegen drei Tage vor dem nächsten Lokalderby gegen Werder Bremen durch die dritte Heimniederlage wichtige Punkte im Kampf um den internationalen Wettbewerb und bleibt mit 33 Punkten auf Platz sieben hängen. Fast noch schlimmer wird für den HSV allerdings die Häme in der Stadt. Schon im Hinspiel war der HSV nicht über ein 1:1 hinausgekommen.
Das Spiel war ursprünglich bereits vor zehn Tagen angesetzt, musste damals aber wegen Unbespielbarkeit des Rasens infolge sintflutartiger Regenfälle abgesagt werden. Am Mittwoch gab es jedoch keinerlei Probleme mit dem Untergrund.
Gastgeber beginnen mit großem Engagement
Die Gastgeber begannen die Partie mit großem Engagement und dem unbedingten Willen, das Spiel zu bestimmen. St. Pauli kam in der Anfangsphase kaum aus seiner eigenen Hälfte heraus. Die Braun-Weißen verteidigten allerdings geschickt und ließen in der Anfangsviertelstunde keine klare Torchance für den HSV zu. Die beste Gelegenheit war ein Kopfball von Änis Ben-Hatira (14.), der sein Ziel jedoch weit verfehlte. In der 16. Minute scheiterte Heiko Westermann aus kurzer Distanz an Torwart Benedikt Pliquett.
Der 26-Jährige stand überraschenderweise an Stelle von St. Paulis etatmäßiger Nummer eins Thomas Kessler im Tor. Pliquett bestritt damit sein erstes Bundesligaspiel überhaupt. In dieser Saison war er nur bei der Pokalniederlage in Chemnitz zum Einsatz gekommen. "Das hat der Trainer mir schon vor vier, fünf Wochen gesagt, dass ich das Derby spiele. Er hat Wort gehalten", erklärte Pliquett nach Spielschluss.
Die technische und spielerische Überlegenheit des "Bundesliga-Dinos" brachte auch in der Folge klare Feldvorteile für die Elf von Trainer Armin Veh. Teilweise entwickelte sich Einbahnstraßenfußball in Richtung des St. Pauli-Tores. Die Gäste befreiten sich nur selten, Gegenangriffe waren an den Fingern einer Hand abzuzählen. Für mehr Aufregung sorgten dagegen einige unverbesserliche Fans des Aufsteigers, die Mitte der ersten Halbzeit Feuerwerkskörper in ihrem Block abbrannten und sich anschließend ein Handgemenge mit Ordnern lieferten.
Ze Roberto kann Torchance nicht nutzen
Nach dem Wechsel attackierte der HSV nicht mehr ganz so stürmisch. Es schien so, als wollten die Rothosen die Gäste aus ihrer Hälfte locken, um selbst mehr Platz für Konterangriffe zu haben. Tatsächlich kam so Ze Roberto (49.) zu der bis dahin größten Torchance, als er halblinks von Eljero Elia freigespielt nur das Außennetz traf. In der 53. Minute rettete Pliquett mit einem überragenden Fußreflex gegen Joris Mathijsen.
St. Pauli nutzte die gewonnene Freiheit ausgesprochen geschickt aus und spielte erstaunlich clever. Unmittelbar vor dem Führungstreffer in der 59. Minute musste HSV-Keeper Frank Rost erstmals eingreifen, als sich eine Flanke von Markus Thorandt gefährlich auf sein Tor senkte. Die anschließende Ecke verlängerte Fabian Boll in die Mitte, wo Asamoah schneller reagierte als die HSV-Innenverteidigung und das Leder mit dem Kopf zu seinem sechsten Saisontreffer über die Linie drückte.
Der HSV versuchte in er Folge mit der Einwechslung der zwei Angreifer Jonathan Pitroipa und Paolo Guerrero die zweite Pleite im 16. Bundesligavergleich abzuwehren, den Hamburger Angreifern gelang gegen die gut gestaffelte Pauli-Abwehr aber kein Durchkommen mehr.