Bochum. .

Wir erklären, wie das Geschäft in Deutschland mit manipulierten Spielen funktioniert. Und warum die Fußball-Bundesliga nicht im Fokus steht.

Es ist manchmal ein zähes Ringen vor dem Bochumer Landgericht. Ein Ringen in einem Sumpf aus Wetten und Betrug. Es geht um etwas Großes, es geht um Fußball und Wahrheit. Um das, was die Staatsanwaltschaft den größten Wettskandal in der Geschichte des deutschen Fußballs genannt hat.

Da passiert es leicht, dass die kleinen Geschichten auf der Strecke bleiben. Sätze verhallen, weil sie für das Verfahren nicht wichtig sind. Auch wenn sie zeigen, wie Jugendliche in den Sog der Wettmafia geraten. Wie sie wegen eines bessren Taschengeldes ihre Träume opfern. Verschluckt und wieder ausgespuckt von einem Wett-Moloch, der in asiatischen Wettbüros und auf deutschen Fußballplätzen zu Hause ist. Der sich nicht in der Bundesliga, sondern zwischen zweit- und Viertklassigkeit eingenistet hat. Und deshalb so schwer zu packen ist.

Da ist zum Beispiel die Geschichte eines ehemaligen A-Jugendspielers von Arminia Bielefeld. Man hat ihn angeworben, als billigen Helfer. Sein Team sollte ein Spiel gegen Bochum verlieren, auf den asiatischen Wettmärkten waren hohe Einsätze platziert. Vor Gericht, über ein Jahr danach, hat er jetzt gesagt: „Ich habe davon geträumt, es in die 2. Liga zu schaffen.“

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Daraus wird nichts mehr, das weiß er. Er ist verurteilt und seine Zukunft ist die Kreisliga. Ein kleines Opfer in der Geschichte eines groß angelegten Betrugs. Und wer den Prozess verfolgt, fragt sich: Warum hat dieses Zocker-Geflecht zwischen Asien und deutschen Sportplätzen so gut funktioniert? Vielleicht, weil es so simpel konstruiert war. Ein Blick auf das Zocker-Modell.

Der illegale Wettmarkt in Asien: Er ist weit verzweigt und kaum zu kontrollieren. Es gibt tausende von illegalen Wettbüros. Zweimal ist Interpol mit großen Razzien zwischen Thailand, Indonesien und Singapur gegen die Zocker vorgegangen. Es gab über 5000 Festnahmen, man beschlagnahmte dreistellige Millionenbeträge. Aber der Markt ist längst nicht trocken gelegt. Vor allem sind illegale Anbieter nicht durch das Warnsystem der Fifa zu erfassen, das bei hohen Wetteinsätzen auf Fußballspiele Alarm schlagen soll.

Gibt es eine Verbindung zum deutschen Wettskandal? Klare Antwort der Bochumer Ermittler: nein.

Der legale Wettmarkt in Asien: Hier liegt die Schnittstelle. Es gibt ganz legale Wettanbieter, die zu den größten weltweit zählen. Einer ist SBObet. Zu den Kunden des als seriös geltenden Unternehmens gehörten auch die Hintermänner des deutschen Wett- und Manipulationsskandals um Ante Sapina.

Warum wird in Asien gesetzt? Weil dort alles möglich ist. Während in Deutschland nur auf den Ausgang bestimmter Spiele gesetzt werden kann, häufig auch nur in Kombination mit anderen Partien, nehmen Unternehmen wie SBObet Wetten an, die Zocker reizen: Handicap- oder Live-Wetten. 30 000 Euro darauf, dass Team A gegen Team B mindestens drei Tore schießt? 20 000 darauf, dass Team A das nächste Tor schießt? Oder Team B die Platzwahl gewinnt? Alles geht. Was noch fehlt: Mittelsmänner, die die Wetten in Asien platzieren. Die von Sapina saßen in London.

Die Gruppe Sapina: Wer professionell zockt, will gewinnen. Hier beginnt die Manipulation von Spielen. „Zum Teil arbeiten diese Leute seit Jahren zusammen“, sagt der Bochumer Staatsanwalt Andreas Bachmann. Dazu gehört neben den Drahtziehern um Ante Sapina, gegen die am Freitag Anklage erhoben wurde, offenbar eine Gruppe von Mittelsmännern in Europa, die die Kontakte zu Spielern geknüpft haben. Und eben Fußballer, die kooperieren. Wechseln sie den Verein, macht das nichts: Die Zocker wechseln mit.

Das Wett-System: Interessant, so die Ermittler, waren Wetten grundsätzlich ab einer Quote von 1,8. Heißt: Für 10 000 Euro Einsatz gibt’s 18 000 zurück. Gewettet und manipuliert wurde in Deutschland offenbar nur in unteren Ligen und im Jugendbereich. Verdient wurde durch die Masse der Wetten – angeblich 2,8 Millionen Euro.

Wieso blieb die Bundesliga anscheinend verschont?

„Dahinter steckt eine rein wirtschaftliche Überlegung“, sagt der ermittelnde Staatsanwalt Andreas Bachmann. Der durchschnittliche Bundesliga-Profi verdient im Monat um die 80 000 Euro. Das macht Bestechungsversuche teuer. Konkrete Spuren in die Bundesliga liegen den Ermittlern nicht vor. Für einen Regionalliga-Spieler dagegen sind 5000 Euro nebenbei viel Geld. Der finanzielle Aufwand, um in den unteren Klassen Spieler zu kaufen, ist überschaubar.

Die Anklagen gegen Ante Sapina und fünf Hintermänner des Skandals stehen jetzt. Aber, und das ist die unausgesprochene Befürchtung: Wer sagt, dass nicht längst neue Sapinas am Werk sind?