Die Fans fürchten ein fußballfreies Wochenende, die Liga-Spitze ist erbost - doch der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft wiederholte am Mittwoch vehement seine Forderung nach Absage des 12. Spieltages der Fußball-Bundesliga. "Fußball steht in der Rangfolge hinter einer Demonstration, denn die Bundesliga ist kein Grundrecht. Und Grundrechte gehen vor. Der Fußball muss also abgesagt werden", sagte Rainer Wendt, der aufgrund des langen und kraftraubenden Castor-Einsatzes eine Spieltag-Absage für unablässig hält, dem Internetportal 11freunde.de.
Wendt empfindet es den strapazierten Polizisten gegenüber als eine "Frechheit, dass am Wochenende Bundesligaspiele stattfinden." Die zahlreichen Beamten würden laut Wendt bei den Einsätzen rund um den Castor-Atommülltransport bereits deutlich über ihre Grenzen gehen. In solchen Extremsituationen ist für die Bundesliga kein Platz, meinte Wendt.
"Es ist riskant, Menschen einer solchen Belastung auszusetzen. Einige Polizisten waren 20, 30 oder gar 40 Stunden ununterbrochen im Einsatz. Teilweise mussten sie ohne Essen und ohne Schlaf auskommen. Zudem waren sie die ganze Zeit draußen im Einsatz. So etwas zehrt natürlich an den Kräften. Und auch am nächsten Wochenende werden die Polizisten wieder in die Stiefel kommen", sagte Wendt.
Den deutlichen Forderungen von Wendt widersprach Thomas Feltes. Der Professor für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum stellte klar, dass die kurzfristige Absage eines kompletten Spieltages gar nicht möglich ist. "Rainer Wendt weiß als erfahrener Polizeibeamter selbst, dass eine kurzfristige Absage eines Bundesligaspieltages nicht möglich ist. Es würde massive Probleme durch nicht oder zu spät informierte Besucher oder gar demonstrierende Fans geben, und dann werden möglicherweise noch mehr Polizisten benötigt", sagte Feltes dem Sport-Informations-Dienst (SID).
Zudem habe der Bürger laut Feltes tatsächlich ein "Grundrecht auf Fußball". "Es gibt - anders als Herr Wendt meint - sehr wohl ein indirektes "Grundrecht auf Fußball": Einerseits haben Vereine und DFL ein Recht, ihre Spiele so wie angekündigt stattfinden zu lassen. Die Bürger haben ein Recht darauf, solche Freizeitangebote zu nutzen - zumal, wenn sie wie beim Fußball Klassen- und Altersgruppenüberschreitend sind und daher mit zur Überwindung von Gegensätzen in der Gesellschaft beitragen", sagte Feltes.
Zuvor hatte bereits Liga-Präsident Reinhard Rauball die Forderung nach einer Absage des 12. Bundesliga-Spieltags entschieden zurückgewiesen. "Es gibt keinen Grund, sich ernsthaft mit der Absage des kommenden Bundesliga-Spieltages zu beschäftigen. Wir erkennen die harte Arbeit der Polizei an. Populismus hilft aber nicht weiter. Der Vorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft versucht im Übrigen seit langer Zeit erfolglos, sich auf Kosten der Bundesliga in den Medien zu profilieren", sagte Rauball.
Nachdem Wendt selbst bislang noch keinen Kontakt zur Ligaspitze gesucht hat, will er nun ein Gespräch mit Rauball führen: "DFB und DFL haben unlängst erklärt, dass sie nicht mit mir sprechen wollen. Das habe ich akzeptiert. Wenn Herr Rauball jetzt etwas anderes sagt, freue ich mich über diesen Sinneswandel. Und selbstverständlich werden wir uns ganz schnell um einen Gesprächstermin bemühen."