Umdenken Fehlanzeige - elf Monate nach dem Selbstmord des Nationaltorhüters Robert Enke hat dessen früherer Mitspieler Steven Cherundolo eine ernüchternde Bilanz der Bemühungen um mehr Sensibilität gezogen. "Nichts", antwortete der Kapitän von Hannover 96 der Welt am Sonntag auf die Frage, was sich in der Bundesliga seitdem verändert habe.
"Die Bundesliga wartet nicht auf einen. Sie ist ein schnelllebiges Geschäft und ein Spiegelbild unserer Gesellschaft", sagte der US-Nationalspieler. "Man muss sich durchbeißen. Auf einen Verein, der eine schwere Zeit durchmacht und eine Krise durchlebt, nimmt niemand Rücksicht."
Die Mannschaft habe sich nach Enkes Selbstmord am 10. November 2009 selbst geholfen. "Wir haben viel darüber gesprochen und miteinander geredet. Aber am Ende mussten wir auf den Platz gehen und die Dinge erledigen." Unruhe im Klub durch die öffentliche Erinnerung, die vor dem Jahrestag wieder einsetzen wird, befürchtet Cherundolo nicht. "Natürlich vermissen wir Robert - vor allem auch als Menschen. Aber rein sportlich gesehen können wir das ziemlich gut trennen."
Cherundolo: "Wir sind Menschen und keine Maschinen."
An einem Spieltag sei Enke, den schwere Depressionen in die Verzweiflung getrieben hatten, kein Thema mehr, sagte Cherundolo. Im Vorjahr, als 96 auch sportlich tief in der Krise steckte, sei das "natürlich anders" gewesen. "Wir sind Menschen und keine Maschinen. Wir können darüber sprechen, aber das wirkt sich nicht auf unsere Leistung aus. Heute habe ich keine Angst mehr davor, dass die Mannschaft durch die Erinnerung und das gerade erschienene Buch berunsichert werden könnte."
Robert Enke hatte sich in Neustadt am Rübenberge das Leben genommen. Er wurde von einem Zug überrollt. Daraufhin gab es kurzzeitig eine öffentliche Debatte, ob der Druck im Profifußball generell zu hoch sei und das Menschliche vernachlässigt werde.
Auch Enkes bester Freund Marco Villa sieht keinen echten Fortschritt im Umgang mit dem Thema Depressionen. "Das passiert sehr langsam", sagte der ehemalige Bundesliga-Profi der Bild am Sonntag. Es gebe in fast jedem Verein zwar einen Sportpsychologen, es gehe aber häufig nur darum, aus den Sportlern noch mehr herauszuholen: "Was in den Hintergrund rückt, ist die seelische Belastung."