Dortmund. .

Die Fan-Vertreter verschiedener Bundesliga-Klubs prangern pauschale Vorverurteilungen von Fußballfans nach den Randalen von Berlin an. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund kritisierte die Polizeigewerkschaft.

Als am Samstag im Berliner Olympiastadion nach dem Schlusspfiff Chaoten das Spielfeld stürmten, ahnte Andreas Birnmeyer bereits, was in den folgenden Tagen auf ihn zukommen würde. „Jetzt werden doch wieder alle Fußballfans über einen Kamm geschoren“, fürchtet der Geschäftsführer des Supporters Club beim Hamburger SV, „die vorschnellen Schlüsse von Vertretern der Polizeigewerkschaft sind vollkommen daneben und werden nichts bringen.“

Nacktscanner an den Stadiontoren, Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ausschließlich Sitzplätze in den Arenen, reduzierte Gästekontingente bei den Tickets - die veröffentlichten Forderungen zu mehr Sicherheit in den Arenen kamen wieder reflexartig. Und stoßen auf breite Ablehnung unter denen, die täglich mit Fans zu tun haben. „Von aussperren, verbieten und verbannen bin ich nicht überzeugt“, sagt Oliver Scheel, Vorstandsmitglied beim Hamburger SV für die Mitglieder- und Fanbelange.

Watzke hält nichts von Vorschläge der deutschen Polizeigewerkschaft

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, ist ebenfalls wenig angetan von den jüngsten Vorschlägen: „Das ist Unfug und populistisch.“ Insbesondere auf den Chef der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, ist Watzke nicht gut zu sprechen: „Wenn ich sehe, dass er sich wie ein Innenminister aufspielt und zu allem seinen Senf dazu gibt, platzt mir der Kragen.“

BVB-Geschäftsführer Hans-Jaochim Watzke kritisiert auch vorschnelle Schlüsse.
BVB-Geschäftsführer Hans-Jaochim Watzke kritisiert auch vorschnelle Schlüsse.

Insbesondere das immer wieder angeführte Argument, Stehplätze abzuschaffen, halten Fanvertreter für Unsinn. In Berlin kamen die Randalierer aus einer Sitzplatzkurve, es gibt keine Stehplätze. In Dortmund steht dagegen mit 24.454 Plätzen die größte Stehtribüne Europas. Und es passiert praktisch nichts. Auch in der Nordkurve beim HSV geht es überwiegend friedlich zu.

Birnmeyers Suche nach den gesellschaftlichen Gründe

Birnmeyers Supporters Club vertritt über 50.000 organisierte Fans des Fußball-Bundesligisten. „Natürlich waren die Aktionen in Berlin vollkommen daneben, das geht nicht, da sind sich alle einig“, sagt er, „aber man muss sich natürlich auch fragen, wie konnte das passieren, war Hertha vorbereitet? Und was sind die gesellschaftlichen Gründe dafür?“

Letztlich bilden sich im Fußballumfeld soziale Problematiken der Gesellschaft ab. „Auch Jugendliche mit Schwierigkeiten in ihrer persönlichen Perspektive suchen Halt und Anerkennung in einem Umfeld, dass ihnen privat nicht gegeben ist“, weiß Birnmeyer, „und dort erleben sie dann wieder Frust und Repressionen und fühlen sich in die Ecke gedrängt.“

Kein Fußballproblem, sondern ein gesellschaftliches

In die gleiche Kerbe schlägt Marco Blumberg, als Vorsitzender der Fanabteilung bei Borussia Dortmund sozusagen ein Kollege von Birnmeyer. „Das ist kein Fußballproblem, sondern ein gesellschaftliches, die Hemmschwelle ist ohnehin gesunken, auch im Umgang mit fremden Sachen“, meint er, „es kann aber nicht sein, dass 95 Prozent der Fans bestraft werden, wenn 5 Prozent Blödsinn machen.“

Birnmeyer ist sich zudem nicht sicher, ob in Berlin im Vorfeld der Partie alles richtig gemacht wurde: „Jeder wusste, dass die Partie gegen Nürnberg ein Entscheidungsspiel ist und es Probleme geben könnte. Hertha schien mir aber nicht vorbereitet.“ Auch Watzke wundert sich über die Vorfälle im Olympiastadion: „Man muss auf die Tabelle schauen und sieht, welche Brisanz ein Spiel birgt. Wir haben Fanbetreuer, die Stimmungen und Strömungen schon weit im Vorfeld einschätzen. Deshalb passiert bei uns so etwas nicht.“ (sid)