Bundestrainer Joachim Löw nominiert am Freitag den Kader für das WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan. Im SID-Interview äußert er sich auch über Kapitän Michael Ballack und die kommende Bundesliga-Saison.
Im SID-Interview lobt Bundestrainer Joachim Löw seinen Mannschaftskapitän Michael Ballack und hofft auf seinen Einsatz gegen Aserbaidschan. Bei der Nominierung für das WM-Qualifikationsspiel am 12. August wird es voraussichtlich keine Überraschungen geben.
SID: "Joachim Löw, der Start in die WM-Saison steht in der kommenden Woche in Aserbaidschan an. Mit welchen Erwartungen starten Sie in das WM-Jahr?"
Joachim Löw: "Wir wollen jetzt erst einmal die letzten Schritte auf dem Weg nach Südafrika gehen und werden die bevorstehenden Aufgaben in der WM-Qualifikation nicht unterschätzen. Deshalb kommt dem Spiel in Baku eine enorme Bedeutung zu. Unsere Pflicht ist es, das Spiel mit aller Ernsthaftigkeit anzugehen."
SID: "Sehen Sie Probleme, da die Spieler nach nur einem Bundesliga-Spieltag über wenig Praxis verfügen?"
Löw: "Das ist natürlich eine ungünstige Konstellation, nach der Sommerpause direkt in die Qualifikation zu müssen. Aber das wird eine echte Herausforderung und hängt sehr stark von unserer mentalen Einstellung ab. Der Gegner ist gefährlich. Entscheidend wird jedoch sein, dass wir zeigen, wie stark wir sind und dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollen. Wenn wir nur ein paar Prozent nachlassen, werden wir Probleme bekommen."
SID: "Es wird schon sehr viel über das vermeintliche Gruppen-Endspiel in Russland gesprochen. Haben Sie Bedenken, dass sich Ihre Mannschaft zu sehr mit dieser Partie beschäftigen könnte?"
Löw: "Für uns findet das wichtigste Spiel zunächst in Aserbaidschan und nicht in Russland statt. Unser ganzes Augenmerk richtet sich auf die Partie in Baku. Russland wird zunächst definitiv kein Thema sein, das werde ich der Mannschaft auch noch einmal klarmachen. Wir müssen unser Spiel gegen Aserbaidschan gewinnen, um unsere gute Ausgangsposition als Tabellenführer zu verteidigen. Alles andere ist derzeit unwichtig."
SID: "Also verschwenden Sie momentan auch keinen Gedanken an eine mögliche Teilnahme an den Play-off-Spielen auf dem Weg zur WM 2010 in Südafrika?"
Löw: "Noch einmal: Das ist im Moment kein Thema. Natürlich ist Russland ein hartnäckiger Gegner, und natürlich wären die Play-offs eine besondere Stresssituation. Aber wir haben es in der eigenen Hand, diesen Umweg zu vermeiden."
SID: "Sie nominieren am Freitag Ihren Kader für Aserbaidschan. Sind Überraschungen zu erwarten?"
Löw: "Ich muss das Aufgebot noch vor dem ersten Bundesliga-Spieltag nominieren, deshalb wird es keine Überraschungen geben. Die Vorbereitung ist auch zu kurz, um Experimente einzugehen."
SID: "Wie viele Torhüter werden Sie mitnehmen?"
Löw: "Zwei. Drei Keeper würden bei nur ein oder zwei Trainingseinheiten vor dem Spiel in Baku wenig Sinn machen."
SID: "Ihre Kandidaten sind Robert Enke, Tim Wiese, Rene Adler und Manuel Neuer. Wer wird in Baku dabei sein?"
Löw: "Ich werde bis Freitag noch einmal mit Andi Köpke (Bundestorwarttrainer, d. Red.) sprechen und dann eine Entscheidung treffen. Andi hat noch einmal eine Analyse erstellt. Wir haben auf jeden Fall vier Keeper mit großer Qualität, und wir sind mit allen zufrieden."
SID: "Wird Ihr Kapitän Michael Ballack nach seinem Zehenbruch dem Aufgebot angehören?"
Löw: "Ich stehe mit ihm ständig in Kontakt. Er trainiert beim FC Chelsea schon wieder mit der Mannschaft und deshalb sieht es gut aus. Ich gehe davon aus, dass er zur Verfügung steht."
SID: "Wie wichtig wäre sein Mitwirken?"
Löw: "Er hat eine immense Erfahrung und große Qualität. Er ist ein absoluter Führungsspieler. Deshalb wäre es natürlich wichtig, ihn dabei zu haben."
SID: "Sie hatten bei der Asien-Reise betont, dass Sie sich in der WM-Saison auf einen kleineren Spieler-Kreis konzentrieren wollen. Haben Sie sich schon auf Ihre WM-Kandidaten festgelegt?"
Löw: "Wir wollen erst einmal ein paar Bundesliga-Spieltage abwarten und noch einige zusätzliche Erkenntnisse sammeln. Dann werden wir wohl im September den Kreis eingrenzen, um die Spieler noch besser und intensiver begleiten zu können."
SID: "Wie weit werden Sie den Kreis eingrenzen?"
Löw: "Etwa 30 Feldspieler sind realistisch, auf vier Torhüter haben wir uns ja schon festgelegt. Natürlich wissen wir aber auch, dass der ein oder andere Spieler aufgrund starker Leistungen im Verein auch noch kurzfristig auf den WM-Zug aufspringen kann."
SID: "Sie haben seit Beginn der Woche mit Ihrem Trainerteam zu einer Klausur bis Donnerstag zurückgezogen. Welche Ergebnisse gibt es bisher?"
Löw: "Wir haben noch einmal die Asien-Reise, aber auch den Confed Cup und die U21-EM analysiert. Es ging in den Gesprächen darum, woran wir in den kommenden Monaten verstärkt arbeiten wollen und in welchen Bereichen wir uns noch verbessern müssen."
SID: "Am Freitag beginnt die Bundesliga. Bayern München wird wie immer als der große Favorit auf die Meisterschaft gehandelt. Sehen Sie das auch so?"
Löw: "Der FC Bayern ist bei den Fans oder in Umfragen wie immer der Topfavorit. Ich verspreche mir trotzdem wie zuletzt wieder eine spannende Saison. Es gibt einige Mannschaften, die schon in den vergangenen Jahren an Qualität und Konstanz zugelegt haben. Ich sehe keinen Alleingang der Bayern. Vielleicht wird wieder eine Mannschaft wie Stuttgart oder Wolfsburg Meister, die keiner auf der Rechnung hat."
SID: "Welche Erwartungen knüpfen Sie an die neue Saison?"
Löw: "Es ist einiges passiert. Es gab viele Trainerwechsel. Die Vereine haben aber auch viele neue, international starke Spieler verpflichtet. Ich freue mich wahnsinnig darauf, dass es wieder losgeht. Man sollte aber gerade bei den neuen Spielern nicht gleich zu viel erwarten. Auch ein Diego hat in Bremen erst einmal eine gewisse Anlaufzeit benötigt."
SID: "Sie haben die vielen Trainerwechsel angesprochen. Beunruhigt Sie diese Entwicklung?"
Löw: "Es ist eine einmalige Situation. Dies müssen aber die Vereine von Fall zu Fall entscheiden. Natürlich zahlt sich Konstanz in der Arbeit immer aus."
SID: "Inwieweit bereichert ein international erfahrener Coach wie Louis van Gaal die Liga?"
Löw: "Erst einmal vorneweg: Wir haben sehr viele sehr gute Trainer in Deutschland. Aber natürlich kann ein Trainer wie Louis van Gaal, der in Barcelona und bei Ajax erfolgreich gearbeitet hat, neue Akzente setzen. Neue Einflüsse und Ideen tun der Liga immer gut."
SID: "Zuletzt gab es Diskussionen über die Trainingspläne der Nationalspieler. Wie beurteilen Sie diese Kritik?"
Löw: "Ich sehe das nicht als Kritik. Es ist auch undenkbar, dass wir uns in die Trainingsarbeit der Vereine einmischen. Es geht nur darum, dass wir unseren Nationalspielern sagen, wo es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Dies sprechen wir aber auch mit ihren Trainern ab."
SID: "Was trauen Sie den frisch gebackenen U21-Europameistern zu?"
Löw: "So ein Turnier und vor allem dieser Erfolg hilft den jungen Spielern enorm. Ihr Selbstbewusstsein ist noch größer geworden, auch das Standing in den Vereinen verbessert sich dadurch. Die Vereine haben den jungen Spieler aber ohnehin schon in den vergangenen sechs, sieben Jahren verstärkt das Vertrauen geschenkt. Viele Talente haben inzwischen in ihren Klubs einen Stammplatz. Das ist wichtig für die Zukunft des deutschen Fußballs."
SID: "Welche Rolle werden die Bundesligisten im europäischen Vergleich spielen?"
Löw: "Es wäre wünschenswert, dass wieder eine deutsche Mannschaft ein Europapokal-Finale erreicht. Die Leistungen von Bremen, aber auch von Hamburg haben uns punkte- und vor allem imagemäßig nach vorne gebracht. Aber gerade in der Champions League wird es wie immer sehr schwer werden. Das ist ein ganz schmaler Grat, auf dem sich die Klubs bewegen. Man muss auch abwarten, wie etwa Wolfsburg die Dreifachbelastung verkraftet."
SID: "Ihr Vertrag läuft nach der WM 2010 aus. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Sind demnächst erste Gespräche geplant?"
Löw: "Es wird jetzt erst einmal keine Gespräche geben. Das ist kein Thema im Moment. Ich habe immer gesagt, dass wir erst einmal die WM-Qualifikation schaffen müssen. Dabei bleibt es auch. Bis dahin werde ich alles hinten anstellen. Danach kann man sich darüber Gedanken machen, wie es weitergeht."