Berlin. Die Szenen, die im Fußball niemand sehen will, sind immer noch präsent. Vor zwei Wochen, als Hertha BSC das Bundesliga-Kellerduell gegen den 1. FC Nürnberg 1:2 verloren hatte, stürmten 150 Randalierer aus dem Hertha-Fanblock den Rasen des Olympiastadions. Am Samstag spielt der BVB in Berlin.

Sie schlugen mit Stangen auf Trainerbänke und Werbebanden ein. Der Ordnungsdienst war bei den Wild-West-Szenen im Osten überfordert. Spieler und Offizielle beider Mannschaften flohen vor der frustrierten Meute in die Katakomben.

„Ich war schon unten, als die Nürnberger mit Angst in den Gesichtern reingerannt kamen“, erinnert sich Hertha-Profi Florian Kringe. „Ich kenne ja Fan-Proteste und Busblockaden. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Und so etwas will ich auch nie wieder erleben.“

Am morgigen Samstag, wenn Borussia Dortmund in der Hauptstadt antritt, steht das erste Heimspiel für die Hertha nach diesen Ausschreitungen an. Der Klub rechnet mit 60000 Zuschauern, darunter 15000 schwarzgelbe und mit ihrer Mannschaft äußerst zufriedene BVB-Fans. Der Ordnungsdienst im Olympiastadion wurde ebenso verstärkt wie das Polizeiaufgebot. Der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga schicken Beobachter. Ganz Fußball-Deutschland wird genau hinschauen.

„Wir sind gespannt auf die Sicherheitsmaßnahmen“, sagt BVB-Trainer Jürgen Klopp, der glaubt, dass spontane Randale, trotz aller Vorkehrungen, niemals auszuschließen ist. „Es darf aber nicht sein, dass diese Vollpfosten ihre Aggressionen ausleben. Solche Bilder sind gefährlich für Fußball.“

In Berlin konnte vor zwei Wochen niemand mit den Ausschreitungen rechnen. 50000 Herthaner fieberten mit ihrer Mannschaft und hatten den Tabellenletzten so leidenschaftlich wie noch nie in dieser Saison angefeuert. Der erste Heimsieg seit August 2009 war greifbar nah. Erst in der Nachspielzeit fiel das Siegtor der Gäste. Und aus einigen wenigen der Heimfans wurden plötzlich Chaoten – und damit unberechenbare Problemfans.

„Hertha hat momentan ein riesiges Traurigkeitspotenzial. Das kann schnell umschlagen“, warnt Sebastian Walleit, Fanbeauftragter des BVB. Er sieht aber für Samstag nur geringe Gefahren: „Man weiß zwar nie, wozu sich ein Fan im Frust hinreißen lässt. Aber die Reaktionen der Berliner richteten sich gegen den eigenen Verein. Die werden nicht über den Platz rennen, um unsere Spieler zu verprügeln.“

BVB kann das Hoffnungs-Pflänzchen "Klassenerhalt" zertreten

Wird die Hertha-Kurve dieses Mal ruhig bleiben? Der BVB kann mit einem Sieg das Hoffnungs-Pflänzchen „Klassenerhalt“ zertreten, das in Berlin nach dem 5:1 in Wolfsburg wächst. „Wir gehen davon aus, dass sich die Vorkommnisse nicht wiederholen“, stellt Hertha-Pressesprecher Gerd Graus klar. Dabei können auch die Spieler dazu beitragen, dass es ruhig bleibt. Im Abstiegs-Duell vor zwei Wochen hatte Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer die Hertha-Fans mit eindeutigen Gesten provoziert. „So etwas darf nicht wieder vorkommen“, sagt Sebastian Walleit. Schäfer droht inzwischen ein Sportgerichtsverfahren.

Sollte das Duell am Samstag, wie erhofft, randalefrei über die Bühne gehen, könnte es am 24. April eine unruhige Begegnung geben. Dann reist Schalke 04 an. In dem sportlich brisanten Duell treffen nicht nur Meisterschafts-Anwärter und Abstiegskandidat aufeinander, sondern auch rivalisierende Fangruppen.

Das Verhältnis zwischen den Fanlagern ist angespannt, sie sind fast verfeindet: „Da brodelt es“, warnt Arthur Saagen vom Schalker Fanclub-Verband. In der Hauptstadt blicken viele den kommenden Wochen aber entspannt entgegen: „Bis dahin wird sich der Zorn abkühlen“, glaubt Christian Ossig vom ältesten Berliner Hertha-Fanclub. „Dann haben sich unserer Fans mit dem Abstieg abgefunden.“