München. 1994 hat Diego Armando Maradona, der Mann, auf dessen Schultern argentinische Fans die „Kirche des Maradona“ errichteten, einmal auf Journalisten geschossen. Mit einem Luftgewehr. Himmel, mit einem Luftgewehr. Was sind dagegen schon 55 Minuten Wartezeit?
Vor dem Beginn der Pressekonferenz mit dem Heiligen des argentinischen Fußballs im Münchner Hotel Mandarin Oriental wird schließlich begründet, warum er nicht pünktlich erscheinen kann. Er muss noch duschen.
Es sprechen viele Gründe dafür, Maradona für einen Witz mit Kugelbauch zu halten. Als Spieler war er Weltmeister und Vizeweltmeister, und selbst die Konkurrenz im Ringen um den Übergrößenpokal (Franz Beckenbauer und weitere) raunt, er sei wahrscheinlich der Beste gewesen, der jemals einen Ball berührt hat.
Maradona ist aber auch der Kokser, der Kumpel Fidel Castros, der Mann, der sich den Magen verkleinern ließ und auf Intensivstationen heimisch zu werden drohte. Jetzt ist er Trainer der argentinischen Nationalelf, ein Trainer, der den heimischen Pressevertretern nach der spät geglückten Qualifikation für die WM verkündet hat, sie könnten ihm einen… Und der auf dem Platz Zigarre raucht, wie in München zu beobachten war.
80 Prozent des WM-Kaders steht
Ein Witz ist Maradona vielleicht dennoch nicht. Oder kann es als Witz ausgelegt werden, dass er in seiner nicht einmal anderthalbjährigen Amtszeit mehr als 100 Spielern den Eintritt in den Kreis der Nationalelf verschaffte? In Argentinien haben ihn die Journalisten dafür gegeißelt. Aber Maradona hat in München erklärt: „Ich möchte, dass es eine Erneuerung gibt.“ Und er hat auch festgestellt, 80 Prozent seines Kaders für die WM habe er nun beisammen.
Diese Mannschaft, ihr Kern, ist eine Ansammlung von Spielern der Extraklasse, vom begnadeten Lionel Messi bis zum zur rabiaten Sachlichkeit neigenden Kapitän Javier Mascherano. Sie könnte eine Macht sein, selbst dann, wenn ihr Trainer ein Witz wäre. Ein Witz mit Botschaft allerdings. „Ich möchte, dass Argentinien neue WM-Helden bekommt“, hat der frisch geduschte Maradona gesagt. Die Begegnung mit den Deutschen ist für ihn also nur eine weitere Station auf dem Weg dahin, wo es wichtig wird. Ganz normal.
Wie für Joachim Löw, den Bundestrainer und Raucher, der signalisiert hat, dass ihm die Freiheiten, die das Traineramt in Argentinien gewährt, behagen könnten.