Dortmund. Die Türkei freut sich im größten deutschen Fußballstadion auf riesige Unterstützung. Ein Nationalspieler hat seine Mannschaft auf das ungewohnte Erlebnis vorbereitet. Und warnt vor Gegner Georgien.

Die berühmte Gelbe Wand soll beim türkischen EM-Auftakt zur Roten Wand werden. Im Dortmunder Fußballtempel setzt das Nationalteam gegen Georgien auf die Unterstützung Zehntausender enthusiastischer Anhänger.

„Sie haben mich in den letzten Monaten immer schon gefragt, wie es ist, dort zu spielen“, sagt Borussia Dortmunds türkischer Nationalspieler Salih Özcan über seine Mitspieler. „Die Südtribüne ist auch in der Türkei bekannt. Regelmäßig vor 80.000 Zuschauern zu spielen, kennen die meisten von meinen Teamkollegen gar nicht. Die werden schon ein bisschen verblüfft sein.“

Zwar dürfen bei der EM nur etwas mehr als 60.000 Fans in Deutschlands größtes Fußballstadion, doch dass es laut und emotional wird, daran zweifelt eigentlich niemand. Rund 2,9 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund leben in Deutschland, die vielen Fußballverrückten von ihnen wollen die Europameisterschaft zu einem Heimturnier für ihre Mannschaft machen. Auch auf den Fanfesten in ganz Deutschland werden viele von ihnen mitfiebern.

Sportlich zuletzt nicht konstant

Einen kleinen Stimmungs-Vorgeschmack erhielt das Team um Inter-Mailand-Star Hakan Calhanoglu und Real Madrids Talent Arda Güler bei einem voll besetzten öffentlichen Training im niedersächsischen Barsinghausen. Mit Sprechchören und Fahnen feierten die Fans ihre Hoffnungsträger, die sich ansonsten rar machen. Trainer Vincenzo Montella muss mit seinem Team den nicht ganz einfachen Spagat hinkriegen: Euphorie und Unterstützung können helfen. Zu viel Trubel kann aber auch ablenken und Druck aufbauen. In den Planungen scheint bisher eher zweiteres eine Rolle zu spielen.

Sportlich ist die Mannschaft schwer einzuschätzen, glänzte zuletzt nicht gerade mit Konstanz. Im November bejubelte die Milli Takim einen 3:2-Sieg in Berlin gegen Deutschland, im März gab's ein 1:6 in Österreich. Wie gut ist die Türkei tatsächlich?

Altintop: „Potenzial, Geschichte zu schreiben“

„Ich bin wirklich sehr überzeugt vom Team. Wir haben sehr, sehr viel Qualität, sowohl in der Defensive als auch im Angriff“, meint Özcan. Auch der frühere Bundesligaprofi und langjährige türkische Nationalspieler Hamit Altintop ist optimistisch: „Diese Mannschaft hat definitiv das Potenzial, Geschichte zu schreiben“, sagte der Vorstandsvorsitzende des türkischen Verbandes der Nachrichtenagentur DHA.

Der in Gelsenkirchen geborene Altintop sprach von einer „Verantwortung unserem Land und unseren Bürgern gegenüber“. Der 41-Jährige sagte zudem: „Wir wollen kein - das sage ich in Anführungszeichen - "weinen, jammern, sich winden". So etwas wollen wir nicht. Wir werden wie Löwen auf das Spielfeld gehen und 100 Prozent geben.“

Schlüsselspieler Calhanoglu

In Gruppe F, zu der neben Auftaktgegner und EM-Debütant Georgien auch Portugal und Tschechien gehören, stehen zumindest die Chancen auf das Erreichen der K.o.-Runde erst einmal nicht schlecht. „Ja, irgendwo hatten wir schon Losglück“, sagt Özcan. „Aber wir müssen die Mannschaften natürlich trotzdem auf jeden Fall respektieren und mit vollem Fokus in die Spiele gehen. Ich glaube, das hat man auch gegen Österreich gemerkt: Wenn zwei, drei Prozent fehlen, dann kann es auch sein, dass du gegen Georgien 0:3 verlierst.“

Viel wird auf Kapitän Calhanoglu ankommen, der beim italienischen Meister Inter eine glänzende Saison spielte. „Er ist das Gehirn unseres Teams“, sagt Coach Montella über den früheren Karlsruher, Hamburger und Leverkusener. „Er denkt und lenkt, ist immer anspielbereit und zweikampfstark.“ Der 30-Jährige will auch die Rote Wand begeistern.