Neapel/Essen. Eintracht Frankfurts Gegner im Champions-League-Achtefinale spielt eine beeindruckende Saison und peilt die erste Meisterschaft sei 1990 an.

Diego Armando Maradona ist am 26. November 2020 beigesetzt worden, in den Quartieri Spagnoli von Neapel aber lebt er weiter. Die Menschen, die im spanischen Viertel wohnen, das zu den ärmeren der Hafenstadt zählt, besitzen nicht viel. Putz bröckelt von den Häuserfassaden. Die Gassen sind eng, nur bis zu fünf Meter breit. Darüber hängt Wäsche zum Trocknen. Auch wenn in Reiseführern dazu geraten wird, die Hände und Augen nicht von Portemonnaie und Handy zu lassen, schlendern Touristengruppen über das Kopfsteinpflaster.

Viele wollen einen Wein trinken, die meisten aber Diego Maradona besuchen.

Obwohl sich die gläubigen Neapolitaner kein Bild von Gott machen sollen, haben sie Maradonas Konterfei auf Wände gepinselt und auf Feuerzeuge gedruckt. Mitten in den Quartieri Spagnoli ist sogar ein schwarzer Schrein aufgebaut. Dios, Gott, steht darauf geschrieben. Hinter der Glasscheibe lächelt Diego mit Engelsflügeln. Spätestens seit Maradonas Tod vor etwas über zwei Jahren ist Neapels Zentrum ein Wallfahrtsort.

Seit 33 Jahren wartet die SSC Neapel auf die Meisterschaft

Die noch immer grenzenlose Verehrung der Fußball-Ikone geht zurück auf die Erfolge der SSC Neapel in den 1980er-Jahren. Zweimal Meister, Pokalsieger – und auch den Uefa-Cup hat der Klub mit dem Argentinier gewonnen. Maradona hatte zudem den Spott der Norditaliener über den armen und vermeintlich faulen Süden ausgedribbelt, er gab den Menschen ihre Würde zurück.

In Neapel trauern Fans um ihr Idol Diego Maradona.
In Neapel trauern Fans um ihr Idol Diego Maradona. © AFP

Viele Jahre allerdings blieb den Tifosi auch nicht anderes übrig, als sich an Erinnerungen zu klammern. Die SSC Neapel erlebte einen bemerkenswerten Niedergang, stürzte Ende der 1990er-Jahre sogar in die Serie B ab. Immerhin feierten sie in den vergangenen elf Jahren drei Pokalsiege. Den Scudetto, die Meisterschaft, aber sehnt die Stadt nun schon 33 Jahre herbei – und die Chancen, dass das Warten bald ein Ende hat, stehen so gut wie lange nicht mehr.

Napoli führt die Serie A mit einem gigantischem Vorsprung an, erst einmal verlor die Mannschaft von Trainer Luciano Spalletti in dieser Saison. An diesem Dienstag tritt sie zudem im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Eintracht Frankfurt an (21 Uhr/Prime). „Ein großer Brocken kommt auf uns zu“, befürchtet Frankfurts Torwart Kevin Trapp.

SSC Neapel führt die Serie A souverän an

Was den italienischen Klub so gefährlich macht, ist, dass er nicht spielt wie ein typischer italienischer Klub. Gewinnen ist wichtig, ja, aber es ist nicht das einzig Wichtige. Ebenso zählt die Schönheit des Spiels. „Bei Napoli geht es um Herz und Seele“, betont Trainer Spalletti, 63 Jahre alt, und seit zweieinhalb Jahren im Schatten des Vesuvs tätig.

Ein Freund des schönen Offensivfußballs: Luciano Spalletti, Trainer der SSC Neapell
Ein Freund des schönen Offensivfußballs: Luciano Spalletti, Trainer der SSC Neapell © AFP

Und das hängt natürlich, wie fast alles in Neapel, mit Diego Maradona zusammen. Die Menschen hier hätten ihn spielen sehen, „und als Maradona gewann, zeigte er auch, wie viel Schönheit im Fußball steckt“, erinnert Spalletti. „Wir können nicht anders, als etwas von dieser Schönheit mitzunehmen.“

56 Tore hat die Sportgemeinschaft aus Kampanien in der Liga schon geschossen, und in der Gruppenphase der Königsklasse auch Titelverteidiger FC Liverpool mit 4:1 besiegt, was für Trapp ein Beleg dafür ist, dass Neapel „den einen oder anderen Raum“ entdeckt haben muss.

SSC Neapel: Victor Osimhen und Chwitscha Kwarazchelia ragen heraus

In dem bewegen sich zwei Offensivspieler besonders gut. Der nigerianische Torjäger Victor Osimhen (24), der sich vor sechs Jahren beim VfL Wolfsburg nicht durchsetzen konnte, steht längst auf der Einkaufsliste eines jeden Spitzenklubs. Und Chwitscha Kwarazchelia (22) wurde nicht nur „Kwaradona“ getauft, weil es zu kompliziert war, seinen Namen auszusprechen. Der Georgier, den keiner kannte, spielte für Rubin Kasan in Russland, nach Ausbruch des Ukraine-Krieges wechselte er in seine Heimat zu Dinamo Batumi. Für Neapel traf er seit Sommer zehnmal und bereitete elf weitere Tore vor. Dass Napolis Fans vor der Saison auf die Barrikaden gingen, als ein Leistungsträger nach dem anderen ihren Klub verlassen hatte, ist längst vergessen.

„Wir haben eine Verpflichtung für die Menschen in der Stadt“, weiß Luciano Spalletti, der vor jedem Spiel die Maradona-Statue in der Umkleidekabine berührt, als wolle er dessen Aura auf seine Mannschaft übertragen. „Träumen ist erlaubt“, findet Spalletti.

Vom Scudetto und, wer weiß, vielleicht ja sogar vom Henkelpott. Den gewann übrigens selbst Diego Armando Maradona nie.