London/Frankfurt. Bei Eintracht Frankfurt knistert es Trainer Oliver Glasner und Sportchef Markus Krösche. Am Mittwoch ist das Team in Tottenham gefordert.

Kein Reiseziel hat die Entourage von Eintracht Frankfurt in jüngerer Vergangenheit so gut kennengelernt wie die Großstadt London, mit der besondere Erinnerungen verknüpft sind. Dem dramatischen Aus im Europa-League-Halbfinale beim FC Chelsea im Mai 2019 folgte bald darauf beim FC Arsenal ein wegweisender Auswärtssieg, der in diesem Frühjahr bei West Ham United noch getoppt wurde.

Tottenham Hotspur ist das nächste London-Ziel

Das gewonnene Halbfinale im London Stadium war Wegmarke für den Europa-League-Triumph. Nun gastieren die Hessen an diesem Mittwoch in der Champions League bei Tottenham Hotspur (21 Uhr/DAZN) zum vierten Male binnen drei Jahren bei einem namhaften Premier-League-Klub.

Deren sündhaft teurer Schmucktempel im multikulturellen Nordosten der Metropole ist mit der längsten Theke Europas ausgestattet. An der Goal Line Bar sollen pro Partie 23.000 Pints über den Tresen gehen. Doch sind die Gäste nicht gerade selbst noch verkatert? Das 0:3 beim Bundesliga-Schlusslicht VfL Bochum hat schonungslos offen gelegt, dass der zweite Anzug der Eintracht nicht passt. Und das belastet seit längerem auch die Zusammenarbeit zwischen Cheftrainer Oliver Glasner und Sportvorstand Markus Krösche, deren Beziehung arg getrübt sein soll.

Kamada-Zukunft löste Disput aus

Die „Frankfurter Rundschau“ berichtete bereits vor einem Monat, dass sich die Führungskräfte nicht einig sind. Ursache des Zwists seien unterschiedliche Ansichten in diversen Personalfragen. Nach einer Uneinigkeit darüber, ob Edeltechniker Daichi Kamada verkauft oder gehalten werden soll, gab es einen lauteren Disput nach dem zweiten Bundesligaspiel bei der Hertha in Berlin (1:1). Seitdem herrscht offenbar Funkstille.

Weder Glasner, 48, noch Krösche, 42, sagen etwas zu dem Thema, das in der Öffentlichkeit bislang auch Vorstand und Aufsichtsrat gemieden haben. Denn Zwietracht kann die Eintracht in dieser anspruchsvollen Phase mit einer extrem engen Taktung am wenigsten gebrauchen.

Krösche eilt in die Mixed Zone

Nur wirkt arg auffällig, wie sich die beiden smarten Alphatiere aus dem Wege gehen. Manager Krösche kommt nach Spielen stets in Windeseile von der Tribüne in die Mixed Zone geeilt, um seine Einschätzung abzugeben. Stets ruhig und sachlich. Coach Glasner beantwortet erst mit gewissem Abstand ausführlich alle Fragen. Ebenso ruhig und sachlich. Doch die Unstimmigkeiten verstecken sich in den Zwischentönen. Der Eindruck: Man redet indirekt übereinander, aber nicht mehr miteinander.

Was eigentlich überrascht, weil zuvor Krösche mit seiner Tätigkeit bei RB Leipzig genauso unzufrieden war wie Glasner über sein Umfeld beim VfL Wolfsburg. Anfangs herrschte in der Mainmetropole ausgesprochene Harmonie – Krösche stützte Glasner nach dem Fehlstart vor einem Jahr.

Mehr Qualität dank Götze und Co.

Aus Managersicht hat der Kader dank Neuzugängen wie Mario Götze, Randal Kolo Muani und Junior Dina Ebimbe so viel mehr Qualität, dass das Überwintern in Europa und ein Europapokalplatz der Anspruch sein muss. Krösche will, dass die Eintracht das Etikett der „launischen Diva“ endlich ablegt. In der Vorsaison übertünchte ja der Rausch des Europa-League-Triumphes den schwachen elften Platz im Bundesliga-Betrieb.

Dem gebürtigen Hannoveraner geht die Wankelmütigkeit gewaltig gegen den Strich. Für das Tottenham-Spiel fordert er mit Rückblick auf die Pleite in Bochum unverhohlen: „Einstellung, Zweikämpfe, fußballerische Fertigkeiten – es hat von allem gefehlt. Am Mittwoch müssen wir es besser machen.“

Glasner nimmt Pleite in Bochum auf seine Kappe

Glasner hat derweil „hundert Prozent Verantwortung“ für die Blamage an der Castroper Straße übernommen. „Es war meine Aufstellung meine Systemumstellung. Es hat vieles nicht gepasst.“ Der Österreicher hatte indes früh in der Spielzeit darauf verwiesen, dass der Spagat mit der Königsklasse schwierig werden könnte. Aus Trainersicht befindet sich unter den Zugängen zu viel Masse und zu wenig Klasse. Mit Filip Kostic verlor der Klub einen der besten Vorlagengeber Europas und mit Martin Hinteregger einen Anker der Abwehr.

Neuzugänge wie Hrvoje Smolcic, Jerome Onguené oder Faride Alidou sind bislang kaum eine Hilfe, weil verletzt, außer Form – oder nicht gut genug? Als Lucas Alario am Samstag in der Startelf stand, enttäuschte der teure Stürmer auf ganzer Linie. Es spricht Bände, dass an der White Hart Lane alle Hoffnungen auf Makoto Hasebe ruhen. Der 38-Jährige soll wie bei der Nullnummer gegen die Spurs vor einer Woche den Laden zusammenhalten, um Stars wie Harry Kane einzubremsen. Doch selbst wenn das erneut gelingen sollte, sind die Risse in der Eintracht-Welt nicht gekittet.