Dortmund. Alles läuft nach Plan für den FC Bayern, doch dann kommt Anthony Modeste. Der Ex-Kölner bereitet den Anschlusstreffer vor und trifft dann in letzter Sekunde zum Ausgleich.
Oliver Kahn riss auf der Tribüne wütend die Arme nach hinten und hämmerte auf die Absperrung, als Anthony Modeste nach schwierigen Wochen im BVB-Trikot endlich der Knalleffekt gelungen war.
Der Ex-Kölner, dem seit seinem Wechsel so wenig gelungen war, schockte den FC Bayern München mit seinem Ausgleichstor zum 2:2 (0:1) in allerletzter Sekunde. «Modeste, Modeste, Anthony Modeste», schallte es wie zu FC-Zeiten von den Dortmunder Rängen, und der Franzose feierte seinen besten BVB-Auftritt mit seinen Kindern auf dem Rasen. Durch das unerwartete Comeback im Liga-Hit vermasselte der BVB dem großen Rivalen aus München den zumindest vorübergehenden Sprung an die Tabellenspitze.
«Ich bin da, ein großer Verein. Wir spielen in der Champions League. Für mich ist alles positiv. Natürlich, mein Wechsel war sehr, sehr schwer. Ich habe sehr viel auf den Deckel gekriegt. (...) Aber ich muss positiv bleiben und an mich denken», sagte Modeste beim TV-Sender Sky und bekam ein Extra-Lob von Trainer Edin Terzic: «Tony war auch am ersten Tor maßgeblich beteiligt. Das war hervorragend. Nicht nur Tony hat sich gefreut, die ganze Mannschaft, das ganze Stadion hat es ihm gegönnt.»
Der erst 17 Jahre alte Youssoufa Moukoko (74.) hatte auf Vorlage von Modeste den BVB zurück ins Spiel gebracht. Dann war der Franzose zur Stelle (90.+5). Damit wendete der BVB die achte Liga-Niederlage in Folge gegen den Serienmeister ab. Der hatte durch Treffer von Leon Goretzka (33.) und Leroy Sané (53.) schon wie der sichere Sieger ausgesehen. Kurios: Beide Torschützen sind im Ruhrgebiet geboren, als Ex-Schalker sind Spiele gegen Dortmund seit jeher besondere für sie.
Davies mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ins Krankenhaus
«Am Ende ist es ein gerechtes Ergebnis. Wir haben ein mal zu wenig Druck gemacht. Es tut natürlich weh, aber es ist nicht völlig ungerecht», sagte Bayern-Coach Julian Nagelsmann, der sich echauffierte, dass Dortmunds Jude Bellingham nach einem Tritt gegen Alphonso Davies an den Kopf nicht die Rote Karte sah. «Da gibt es nicht viel zu diskutieren. Er tritt ihm volle Kanne ins Gesicht. Das ist nicht Gelb, das ist eine Rote Karte.» Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte die Aktion als unabsichtlich bewertet.
Davies musste mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung ins Krankenhaus. Dazu musste Matthijs de Ligt, der sich an den Oberschenkel fasste, verletzt ausgewechselt werden. Nagelsmann sprach von Adduktorenproblemen. Sicher ausfallen wird im nächsten Spiel Kingsley Coman,der wegen wiederholten Foulspiels in der Schlussminute die Gelb-Rote Karte (90.) sah.
Der aktuelle Spitzenreiter 1. FC Union Berlin, der in Stuttgart ran muss, oder der SC Freiburg mit einem Sieg bei Hertha BSC könnten sowohl den Bayern als auch dem BVB am Sonntag um vier Punkte enteilen.
Hummels in BVB-Startelf
Mats Hummels war wie erwartet nach seiner Erkältung fit geworden und stand auch in der Dortmunder Startelf, doch für ihn musste von den Nationalverteidigern Nico Schlotterbeck und Niklas Süle keiner weichen. Der BVB agierte mit einer Viererkette, der im Sommer aus München gekommene Süle spielte Rechtsverteidiger. Bei den Bayern, bei denen Sportvorstand Hasan Salihamidzic wegen eines grippalen Infekts nicht mitgereist war, schaffte es Joshua Kimmich nach überstandener Corona-Infektion in den Kader, aber nicht in die Startelf. Er kam dann zur Pause. Klar war zuvor schon, dass Thomas Müller nach seiner Corona-Infektion fehlen wird. Ebenso wie beim BVB-Kapitän Marco Reus, der zu seiner Bänderverletzung auch noch erkältet ist.
Schiedsrichter Aytekin, der zwar aus dem Bundesland Bayern, genauer gesagt aber aus Franken kommt und auch zuvor schon vereinzelt Bayern-Spiele gepfiffen hat, versuchte alle typischen Nickligkeiten dieses Duells im Keim zu ersticken. Entgegen seiner sonst eher großzügigen und kommunikativen Art zeigte er bereits nach 85 Sekunden die erste Gelbe Karte gegen den Münchner Marcel Sabitzer. Damit setzte sich der Unparteiische aber selbst unter Druck. Nach 13 Minuten hatte er schon drei Verwarnungen verteilt.
Doch nicht nur deshalb kam das Spiel vor 81.365 Zuschauern schwer in Gang. Beide Teams wirkten nervös, mindestens aber angespannt. Das Spiel war intensiv, doch beide Teams gingen nicht zu viel Risiko ein und spielten im entscheidenden Moment oft zu ungenau. Den ersten Eckball gab es erst nach 17 Minuten für die Bayern, den ersten Torschuss erst vier Minuten später durch Dortmunds Donyell Malen. Die erste Chance hatte Raphael Guerreiro für den BVB, dessen Schrägschuss aus 18 Metern Manuel Neuer hielt (30.). Dann hatten die Münchner ihre erste - und nutzen sie eiskalt. Goretzka wurde von Malen und Salih Özcan zu zaghaft angegriffen und traf aus 18 Metern mit einem platzierten Flachschuss.
BVB gibt nicht auf
Zur Pause beendete Terzic das Experiment mit den drei etatmäßigen Innenverteidigern. Hummels ging vom Feld, in Marius Wolf kam ein zumindest geübter Rechtsverteidiger, der zudem gleich die bis dahin beste BVB-Chance hatte (47.). Bayern-Coach Nagelsmann wechselte zur Pause gleich dreimal, nahm unter anderem den glücklosen Stürmer Serge Gnabry raus und beorderte Sadio Mané ganz nach vorne. Der Senegalese kam auch gleich zur Riesenchance, köpfte aber aus acht Metern am leeren Tor vorbei (49.). Zwei Minuten später machte der starke Sané dann doch das 2:0. Damit waren die Kräfteverhältnisse an sich geklärt.
Der BVB gab aber nicht auf. Terzic brachte Stürmer Modeste, was sich auszahlte. Der Ex-Kölner spielte nur fünf Minuten nach seiner Hereinnahme den Ball auf Moukoko, der Neuer mit einem platzierten Schuss keine Chance ließ. Und Modeste hatte kurz darauf die Riesenchance zum Ausgleich, als er aus kurzer Entfernung den Ball nicht richtig traf (83.). Dafür machte er es in der allerletzten Aktion per Kopf besser.
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