Die Bundesliga beginnt erstmals seit 2009/10 wieder mit drei Revierklubs. Der BVB steht gut da, Bochum und Schalke haben es schwer. Ein Kommentar
Die Bundesliga startet in die Saison, an deren Ende sie 60 Jahre alt sein wird. Wird sie dann auch Gründe zum Feiern haben, von der Zahl mal abgesehen?
Ja, wird sie, das sei vorausgesagt. Wir haben ja schon in der vergangenen Spielzeit erlebt, dass viele Arenen gut gefüllt waren; dass die Menschen nach den Zeiten von Lockdown, Geisterspielen und begrenzten Zuschauerzahlen geradezu gierig auf Stadionbesuche waren. Und wo es etwas zu bejubeln gab, da ließ man es auch ausgiebig krachen: wie in Frankfurt nach dem Europa-League-Sieg, wie auf Schalke nach dem Aufstieg, wie in Köln nach dem Einzug in den Europapokal.
Auch der BVB und RB Leipzig werden den FC Bayern kaum gefährden können
Nur in München ist das Betrachten der Meisterschale mittlerweile so spannend wie der Blick durch das Guckloch einer Waschmaschine. Und genau das ist das größte Problem der Liga: die fehlende Spannung an der Spitze. Auch vor der neuen Saison fehlt die Fantasie, sich einen anderen Deutschen Meister als den FC Bayern vorzustellen. Und selbst die beiden Plätze dahinter scheinen für Borussia Dortmund und RB Leipzig fest vergeben zu sein, es dürfte da nur noch um die Reihenfolge gehen. Gerangel gibt es dann erstmals um Platz vier, um die letzte Eintrittskarte zur Champions League, um einen Platz an den prall gefüllten Futternäpfen der europäischen Elite. Nur da gibt es das ganz große Geld zu verdienen. Und wer beim Kampf um diese Plätze grobe Fehler macht, wird mittlerweile so weit zurückgeworfen, dass er den Anschluss verliert. Schalke 04 und Werder Bremen waren mal Stammgäste in den europäischen Wettbewerben. Aktuell sind die beiden Traditionsklubs erst einmal froh darüber, wieder in die Bundesliga aufgestiegen zu sein.
Der VfL Bochum und Schalke 04 kämpfen um den Klassenerhalt
Jüngere Menschen werden das kaum glauben können, aber diese Liga war mal hochspannend, auch ganz oben: Vor 30 Jahren, als Stuttgart vor Dortmund und Frankfurt Meister wurde, war dieses Trio auf einer Höhe mit jeweils 50 Punkten in den atemberaubenden letzten Spieltag gestartet. Bayern München landete übrigens auf Platz zehn.
Heutzutage dürfte der Abstiegskampf für den größten Nervenkitzel sorgen. Auch zwei Ruhrgebietsklubs stellen sich schon vor dem ersten Spieltag darauf ein, dass es für sie in einem äußerst anstrengenden Wettbewerb ausschließlich um den Klassenerhalt gehen wird. Dieser Sinn für Realität kann helfen. Beim VfL Bochum weiß man das, mit Zusammenhalt wurde das Ziel schon in der vergangenen Saison als Aufsteiger erreicht. Schalke 04 musste Bescheidenheit erst lernen, vor dem großen Crash war ja jahrelang alles gutgegangen. Die neue Demut steht den Königsblauen aber gut.
BVB, VfL Bochum und Schalke 04 sind die verbliebenen von sieben Revier-Bundesligisten
Und es ist ja ohnehin zunächst einmal erfreulich, dass zum ersten Mal seit 2009/2010 wieder drei Ruhrgebietsklubs in der Bundesliga mitmischen. Man ist ja genügsam geworden, beim Blick in die Bundesliga-Historie lässt sich auch aus regionaler Sicht feststellen, dass die Zeiten schon mal besser waren: Seit der Liga-Gründung 1963 kamen insgesamt sieben Bundesligisten aus dem Revier – Borussia Dortmund, Schalke 04 und der später MSV Duisburg genannte Meidericher SV waren Vereine der ersten Stunde, Rot-Weiss Essen, Rot-Weiß Oberhausen, der VfL Bochum und die SG Wattenscheid 09 rückten nach. In der Spitze gab es fünf Spielzeiten mit je fünf Reviervereinen, erstmals 1969/70, zuletzt 1991/92.
Dass sich diese Verhältnisse erheblich geändert haben, kann man als Fußballromantiker natürlich bedauern. Man kann sich aber auch darüber freuen, dass uns jetzt eine Saison mit sechs Revierderbys bevorsteht. Und erst im April hat der 4:3-Auswärtssieg der Bochumer in Dortmund gezeigt, dass sich in diesen besonderen Duellen auch der normalerweise übermächtige BVB nicht sicher fühlen darf.