London/Watford. Das Foto von Torjägerin Alexandra Popp mit Schnauzer ging gleich mal viral. Die deutschen Frauen zeigen sich zwei Tage vor dem Finale in Wembley ganz locker.
Mit ihrer amüsanten Schnauzer-Nummer als «Alexander Popp» hat Kapitänin und Torjägerin Alexandra Popp vor dem Traumfinale in Wembley weitere Sympathiepunkte für die deutschen Fußballerinnen gesammelt.
Dabei drücken vom Kanzler über den «Kaiser» bis Kulttrainer Klopp und vielen Millionen daheim vor den Fernsehgeräten ohnehin den DFB-Frauen die Daumen. Die Männerfußball-Nation hat ihr Herz für die DFB-Frauen entdeckt. Das Team um Popp erwartet gegen England in der Höhle der Lionesses («Löwinnen») aber auch über 80.000 Fans des Gastgebers.
Die 31 Jahre alte Wolfsburgerin sorgte bei der Pressekonferenz in Watford für großes Gelächter, als sie mit einem aufgeklebten Schnauzer erschien. «Wir haben heute Morgen beim Frühstück einfach irgendwie rumgescherzt und dann gesagt, dass wir es einfach mal durchziehen», erklärte Popp und ergänzte grinsend: «Ich glaube schon, dass es mit der Stimmung hier im Team passt.» Den Gesichtsschmuck hatte sie sich aus Streifen von schwarzem Kinesiotape gebastelt.
«Noch einmal alles reinwerfen»
Dass die DFB-Frauen nach einem bisher mitreißenden Turnier «noch einmal alles reinwerfen», wie sie unisono sagen, gilt als selbstverständlich. «Ich glaube, das ganze Stadion wird gegen uns sein», sagte Mittelfeld-Ass Lena Oberdorf gewohnt kämpferisch. «Wir spielen nicht nur gegen England, sondern gegen die ganze Nation gefühlt. Aber das sind für mich auch die schönsten Spiele: Wenn das ganze Stadion gegen dich ist, dich am besten noch ausbuht.»
Auf der Tribüne in Londons Kultarena wird am Sonntag (18.00 Uhr MESZ/ARD und DAZN) auch Prinz William sitzen - nicht unweit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Franz Beckenbauer will wieder vor dem Bildschirm die Daumen drücken und tippt auf einen Finalsieg nach Elfmeterschießen für Deutschland - «und da gewinnen unsere Frauen, weil sie physisch und nervlich besser sind», sagte der Weltmeister von 1974, der als Trainer 1990 das deutsche Männer-Team zum WM-Titel führte, der «Bild»-Zeitung. Der 76 Jahre alte «Kaiser» ist sich sicher: «Unsere Frauen holen den Wembley-Titel. Aber es wird nicht leicht gegen die starken Engländerinnen.»
DFB-Torhüterin Merle Frohms hat schon mal einen Elfmeter gegen England in Wembley gehalten - 2019 beim 2:1-Testspielsieg. Alexandra Popp und Klara Bühl erzielten damals vor 77.768 Fans die Tore. «Ich glaube, das wird noch mal alle Dimensionen sprengen, was da auf uns wartet», sagte Frohms über die Kulisse am Sonntag. Die 3000 Karten, die der DFB nach dem Finaleinzug noch erhielt, waren ruckzuck weg.
Und noch ein Erfolgserlebnis aus der Historie kann das deutsche Team vorweisen: Im EM-Finale 2009 in Finnland besiegte es England mit 6:2. Liverpools Star-Trainer Klopp sieht Englands Fußballerinnen wegen des Heimvorteils diesmal als leicht favorisiert an. «In einem ausverkauften Wembley-Stadion mit englischen Zuschauern wird das eine riesige Herausforderung für Deutschland», sagte Klopp am Donnerstag, aber Deutschland habe eine Chance. «So sehr wie ich England liebe - mein Herz wird bei der deutschen Mannschaft sein», betonte der 55 Jahre alte frühere Bundesliga-Coach.
«Ich glaube, dass der Druck eher bei den Engländerinnen liegt. Gerade weil es im eigenen Land stattfindet», sagte Popp. Sie erinnerte an die eigene Heim-WM vor elf Jahren, als die DFB-Frauen im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister Japan ausschieden. «Wir kennen das ja auch von 2011: Plötzlich erwarten alle was von einem. Wir haben gar nichts mehr zu verlieren. Mit der Einstellung können wir auch ganz befreit ins Spiel reingehen.» Zudem habe ja kaum jemand damit gerechnet, das ihr Team bis ins Endspiel komme.
«Wird ein großartiges Fußballfest»
Für Rekord-Europameister Deutschland geht es um den neunten Titel, das Team von Sarina Wiegman hat noch kein internationales Turnier gewonnen - die Cheftrainerin triumphierte aber bei der EM 2017 mit den Niederlanden. «Es wird ein großartiges Fußballfest, das ist ein Klassiker», prophezeite Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. «Was England in diesem Turnier gezeigt hat, ist natürlich brutal gut.» Anfängliche Schwächephasen im Halbfinale gegen Schweden und der Rückstand im Viertelfinale gegen Spanien sind der 54-Jährigen selbstverständlich nicht verborgen geblieben.
Im Finale der 13. EM geht es auch um die Auszeichnung der besten Turniertorschützin. Die deutsche Halbfinal-Heldin Popp und Englands Beth Mead haben bisher jeweils sechs Treffer vorzuweisen. Die Wolfsburgerin ist auch auf der Insel groß in den Schlagzeilen. «Ex-Zootierpflegerin will Löwinnen zähmen», titelte am Freitag die renommierte Zeitung «Times» mit Blick auf den erlernten Beruf der Stürmerin.
Unabhängig vom Ausgang des Endspiels werden die Fußballerinnen am Montag in Frankfurt feierlich empfangen. Nach der Rückkehr aus London werde sich das Team auf dem Rathausbalkon im Römer den Fans präsentieren, teilte die Stadt Frankfurt am Freitag mit.
Derweil bereiten sich die deutsche Finalistinnen in der Ruhe eines ehemaligen Adelssitzes in Watford in der Grafschaft Hertfordshire auf den großen Tag vor. Wegen der UEFA-Vorgaben musste die Mannschaft umziehen und wohnt nun in einem Luxus-Hotel mit Golfplatz, Seerosenteichen, quadratisch gestutzten Bäumen an der Einfahrt und einem weitläufigen Park mit allerfeinstem Rasen als Einstimmung vor dem Endspiel im Fußball-Tempel Wembley.
Die möglichen Aufstellungen:
Deutschland: Frohms (VfL Wolfsburg) - Gwinn (FC Bayern München), Hegering (VfL Wolfsburg), Hendrich (VfL Wolfsburg), Rauch (VfL Wolfsburg) - Oberdorf (VfL Wolfsburg), Däbritz (Olympique Lyon) - Huth (VfL Wolfsburg), Magull (FC Bayern München), Brand (VfL Wolfsburg) - Popp (VfL Wolfsburg)
England: Earps (Manchester United) - Bronze (Manchester City), Bright (FC Chelsea), Williamson (FC Arsenal), Daly (Houston Dash) - Stanway (FC Bayern München), Walsh (Manchester City) - Mead (FC Arsenal), Kirby (FC Chelsea), Hemp (Manchester City) - White (Manchester City)
© dpa-infocom, dpa:220729-99-202357/4 (Von Ulrike John, dpa)