Essen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf will den Verband in der Katar-Frage positionieren. Nun macht er einen ersten wichtigen Schritt. Ein Kommentar.
Lise Klaveness war erst wenige Wochen im Amt, als die Präsidentin des norwegischen Fußballverbandes beim Fifa-Kongress in Doha Ende März 2022 eine bemerkenswerte Rede hielt. Sie richtete sich gegen den Weltverband Fifa und gegen den umstrittenen WM-Gastgeber Katar – und das ausgerechnet in der Hauptstadt des Emirats, das Menschenrechten keine große Bedeutung zuspricht.
So viel Courage hätte man sich auch vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gewünscht. Der aber schaute lange Zeit lieber weg, seine Funktionäre droschen auf Knopfdruck die immer gleichen Phrasen. Es waren andere Verbände, die vorpreschten, allen voran jene aus Skandinavien, wo gesellschaftspolitische Verantwortung zum Markenkern gehört.
T-Shirt-Protestaktion der Nationalmannschaft ging daneben
Bernd Neuendorf versucht nun, auch dem DFB in diesen Fragen ein Profil zu verleihen. Natürlich kommt das reichlich spät. Dass die WM in Katar ausgetragen wird und wie die politische Lage dort ist, weiß man seit zwölf Jahren. Im vergangenen Jahr hatte die Nationalelf ja mal eine T-Shirt-Protestaktion gestartet, die der Verband unglücklicherweise wenig später als Hochglanzvideo vermarktet hatte.
Weil doch eher dieser negative Eindruck bleibt, den man mit dem DFB in der Katar-Frage verbindet, hat Bernd Neuendorf viel Arbeit vor sich, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Aber: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern im Amt ist er unbescholten. Zunächst musste er interne Grabenkämpfe beseitigen, die den DFB seit Jahren plagen. Jetzt kann der 60-Jährige gestalten statt bloß Probleme anzugehen. Die Reise mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist ein sehr guter Anfang.