Eriwan. Das WM-Ticket war schon gebucht. Aber das DFB-Team siegt auch in Armenien klar. Letztlich gewinnt die Flick-Elf mit 4:1.
Als die letzten Länderspielminuten des Jahres 2021 vorbei waren, erlaubte sich Deutschlands Nationaltrainer Hans-Dieter Flick, Spitzname Hansi, dann doch ein zufriedenes Lächeln. 4:1 hatte seine Mannschaft gerade im weit entfernten Armenien gewonnen, was vier Tage nach dem 9:0 gegen Liechtenstein nicht unbedingt für eine Hansi-Ehrenrunde reichte. Aber eben doch für ein kurzes Lächeln.
Für Deutschland ist die WM-Qualifikation mit diesem Pflichtsieg im Kaukasus Geschichte. Geschafft war die Qualifikation für die Winter-WM im Katar bereits vorher. Die durchaus sehenswerte Bilanz: Neun Siege aus zehn Spielen, ein Torverhältnis von 36:4 und nur ein Ausrutscher gegen Nord-Mazedonien, der aber gefühlt bereits eine kleine Ewigkeit zurückliegt.
Bevor sich die deutsche Mannschaft nun aber ernsthafte Gedanken über die Reise zur Wüsten-WM in einem Jahr machen will, steht vor der Rückreise in die Heimat an diesem Montag zunächst nur ein Programmpunkt auf der To-Do-List: ausschlafen. Für den insgesamt 38-Stunden-Trip in die frühere Sowjetrepublik zwischen Asien und Europa hatte sich (der nun sehr zufriedene) Flick schon vorher entschieden, einfach nach deutscher Zeitrechnung (also minus drei Stunden) weiter zu leben. Das heißt: Nach dem Sieg gegen Armenien gab es zu nächtlicher Stunde sogar noch ein Abendessen, der Rückflug ist heute um 12 Uhr Ortszeit, also 9 Uhr deutscher Zeit, geplant.
DFB-Team erspielt sich ähnlich viele Chancen wie gegen Liechtenstein
Richtig ausgeschlafen präsentierte sich die Rumpf-DFB-Auswahl, die auf 17 (!) potenzielle WM-Teilnehmer verzichten musste, aber bereits von Anfang an am Sonntagabend. Im offiziell mit 14.500 Zuschauern ausverkauftem Republican Stadium, in dem es aber den einen oder anderen freien Sitzplatz gab, hätte Chelseas Kai Havertz bereits nach fünf Minuten für die frühe Führung sorgen können, bevorzugte aber bei Versuch Nummer eins ein Techtelmechtel mit dem linken Außenpfosten. Wirklich innig sollte diese Affäre nicht werden. Gerade mal ein Viertelstündchen war gespielt, als der Wahl-Londoner bei Versuch Nummer zwei eine herrliche Kombination über Thomas Müller und Jonas Hofmann zum frühen 0:1 abschloss.
Rund 550 mitgereiste Deutsche waren vor allem über die ersten 25 Minuten ihrer Mannschaft begeistert, in denen Flicks Team ähnlich viele Chancen herausspielte wie vier Tage zuvor gegen Liechtenstein (nur dabei vergaß, neun Tore zu erzielen). Diejenigen, die noch kurz vor dem Anpfiff auf dem Schwarzmarkt direkt vor dem Stadion zuschlugen und ein Vielfaches des Ursprungspreises von 3000 armenischen Dram, also umgerechnet gerade mal 5,50 Euro, zahlten, sollten die plötzliche Preissteigerung nicht bereuen – auch wenn die zu Anfang so hellwache DFB-Auswahl sich Mitte der ersten Halbzeit dann doch ein ausgedehntes Kunstpäuschen gönnte.
Aufgewacht wurde erst wieder kurz vor dem Pausenpfiff, als Taron Yoskanyan den heranstürmenden Florian Neuhaus regelwidrig im eigenen Sechzehner von den Beinen holte. Ein klarer Strafstoß, der nach Intervention des Videorichters und einer gefühlt 38-stündigen Überprüfung schließlich auch geahndet wurde. Ausgerechnet Ilkay Gündogan, der aufgrund seiner türkischen Wurzeln permanent ausgepfiffen wurde, trat an und traf zur verdienten 2:0-Pausenführung für Deutschland.
Armeniens Torhüter mit kuriosem Fehler vor dem 0:3
Das späte Tor in der vierten Minute der Nachspielzeit sollte in der 15-minütigen Schaffenspause aber für ein unschönes Nachspiel sorgen. Verärgerte Armenier und offenbar zu euphorische Deutschland-Anhänger gerieten derart aneinander, dass herbeigerufene (und dem Vernehmen nach ziemlich kompromisslose) Ordner schlichten mussten.
Schiedlich friedlich ging es zumindest auf dem Platz nach dem Wiederanpfiff zur Sache. Armeniens Torhüter Stanislav Buchnev persönlich bemühte sich um die Völkerverständigung aller, als er einen harmlosen Schuss Gündogans nicht festhalten konnte (50.). Karma is a bitch, würde man wohl in dessen Wahl-Heimat Manchester etwas derbe zu Protokoll geben.
Dass die Stimmung im Republican Stadium trotz des 0:3 nicht abriss, hatte der tapfer anrennende Gastgeber Neuhaus zu verdanken. Denn weil der Gladbacher Armeniens David Terteyan ebenfalls etwas ungeschickt im eigenen Strafraum von den Beinen holte, durfte Volksheld Henrich Mchitarjan beweisen, dass er aus elf Metern genauso treffsicher ist wie sein ehemaliger Mitspieler Gündogan (59.).
Doch der Jubel über den Ehrentreffer zum 3:1 hielt nur kurz. Nicht einmal fünf Minuten später machte Neuhaus‘ Gladbacher Mannschaftskollege Hofmann mit dem 4:1 den berühmten Deckel auf das Spiel. Der Rest der Partie des 89. der Weltrangliste gegen den Weltmeister von 2014 war in etwa so schnell erzählt wie das Lächeln Flicks wieder der gewohnt konzentrierten Miene wich. Auf ein Wiedersehen in Katar.