Dortmund/Köln. Am Samstag empfängt der BVB den 1. FC Köln. Dort verspricht der neue Trainer Steffen Baumgart Spektakel – und das nicht nur auf dem Rasen.
Natürlich hat Marco Rose reichlich Videomaterial studiert, wie jeden Gegner hat der Trainer von Borussia Dortmund auch den 1. FC Köln genauestens seziert, der heute (15.30 Uhr/Sky) zu Gast in Dortmund sein wird. Und diesmal hat Rose sich nicht nur auf Spielszenen beschränkt, sondern auch das Geschehen an der Seitenlinie beäugt, wo bei FC-Spielen über 90 Minuten ein Naturspektakel namens Steffen Baumgart tobt und brüllt. „Es macht Spaß, ihm zuzusehen“, sagt Rose und grinst dabei – aber als Spott ist das nicht gemeint.
Rose und Baumgart kennen einander gut, sie haben gemeinsam die Ausbildung zum Fußballlehrer absolviert und telefonieren regelmäßig. Und nun kann sich Rose aus nächster Nähe ein Bild von der Urgewalt namens Baumgart machen.
Baumgarts Art kommt an in Köln
„Er lebt das vor, was er von seiner Mannschaft sehen will“, sagt der BVB-Trainer. „Manchmal hat man das Gefühl, dass er in einen Zaubertrank gefallen ist.“ Es ist einer von vielen guten Sätzen über Baumgart, ein anderer kommt vom Freiburger Trainer Christian Streich – der seinen Kollegen mit einem Sumo-Ringer vergleicht. Weil dieser oft vornübergebeugt am Spielfeldrand steht, die Hände auf die Knie gestützt und bebend vor Energie. Der beste Satz über Baumgart aber kommt von Baumgart selbst: „Ein Spiel ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter pfeift und ich nicht mehr brülle.“
Die Deutsche Akademie für Fußballkultur wählte den Satz zum Fußballspruch des Jahres, ein Kölner Sponsor ließ ihn auf Bierdeckel drucken. Baumgart kommt an in seiner neuen Umgebung, das wurde schnell klar, seit er im Sommer in Köln anheuerte. Die emotionale, norddeutsch-knorrige und stets authentische Art des gebürtigen Rostockers passt gut zu diesem emotionalen Klub und dieser äußerst lebendigen Stadt – und wird von den Spielern geschätzt.
Anthony Modeste lobt den neuen Stürmer
„Er sagt einem die Dinge ins Gesicht und redet nicht hinter dem Rücken“, sagt FC-Stürmer Anthony Modeste. Der 33-Jährige ist das wohl prägnanteste Beispiel für das bislang erfolgreiche Wirken Baumgarts: Nach seiner Rückkehr aus China gelang wenig, der Franzose galt schon als teure Fehlinvestition. Nicht einmal Kreisliga-Niveau habe er, spöttelte man im Klub hinter vorgehaltener Hand. Baumgart aber brachte ihn wieder in die Spur, in elf Pflichtspielen hat der Angreifer nun acht Tore erzielt und eins vorbereitet.
Spieler starkreden, das kann der Trainer, und deswegen werden Vergleiche laut mit Jürgen Klopp, Hansi Flick – oder Peter Stöger, dem Stadt und Klub einst noch ergebener zu Füßen lagen, weil er den FC in den Europapokal führte. Davon ist der Neue noch ein gutes Stück entfernt, aber Tabellenplatz acht und 13 Punkte sind eine ordentliche Zwischenbilanz für einen Verein, der in den vergangenen Jahren mal abstieg und mehrmals haarscharf am Abstieg vorbeischrammte. Und deswegen gibt es viel Lob für das „menschgewordene Kraftwerk auf zwei Beinen“, wie ihn der Kicker taufte.
Auch gegen den FC Bayern ging es mutig nach vorne
Man tut Baumgart allerdings Unrecht, wenn man ihn nur auf Emotionen und Charisma reduziert. „Es mag jetzt den einen oder anderen überraschen, aber ich habe schon das Gefühl, dass ich auch ein bisschen Ahnung von Fußball habe“, sagt er selbst. Sein Kollege Rose bestätigt das: „Sie verteidigen kompakt, können aber auch sehr gut angreifen.“ Und im Zweifel wird angegriffen statt gemauert, so will es der Trainer.
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Am zweiten Spieltag, als es gegen den FC Bayern ging, agierte Köln zwar etwas vorsichtiger, spielte aber beim Stand von 2:2 mutig nach vorne. Es gab noch das 2:3 – aber der Trainer war zufrieden. Mutig sein, das ist Baumgarts Motto, und auch das lebt er selbst. Mit dem Kölner Säulenheiligen Lukas Podolski hat er sich schon ebenso angelegt wie mit der Stadt, weil die Infrastruktur schlechter sei als bei manchem Zweitligisten.
Dortmund unter Druck setzen
Zurückhaltung gibt es eben nicht bei Baumgart, auch nicht in Dortmund: „Wir werden schon versuchen, sie vorne zu attackieren und unter Druck zu setzen“, kündigt er an. „Wir haben auch Möglichkeiten, ein gutes Spiel zu machen, und werden alles daran setzen, um dort zu gewinnen.“ Sein Kontrahent Rose will die Partie zwar nicht zu wild werden lassen, aber: „Grundsätzlich habe ich nichts gegen Spektakel“, sagt er. „Ich freue mich, wenn guter Fußball mit vielen Torraumszenen zu sehen ist – und hätte gerne, dass wir am Ende mehr Tore geschossen haben als der Gegner.“
Nicht nur an der Seitenlinie dürfte also einiges geboten werden.