Freiburg. Als einziger Bundesligist ist der SC Freiburg noch ohne Niederlage. Wie es der Verein geschafft hat, sich in der Bundesliga zu etablieren.

Es klingt ... unglaublich ... nach Märchen ... fantastisch ... verrückt. Sieben Spieltage ist die Bundesligasaison 2021/22 alt, und die einzige noch ungeschlagene Mannschaft in der Beletage des deutschen Fußballs ist, nein, nicht der FC Bayern München und auch nicht Borussia Dortmund, es ist der SC Freiburg. „Eine Momentaufnahme”, sagt Christian Streich, der Trainer, und fügt an: „Jetzt läuft‘s bei uns grad gut, und ich bereite mich drauf vor, dass es mal wieder nicht so gut läuft.”

Bescheidenheit oder Understatement, das ist hier die Frage, auf die es zwei Antworten gibt. Eine aus Freiburg und eine aus so einigen anderen Fußball-Standorten. Während sie im Süden der Republik nichts wissen wollen von höheren Zielen, attestierten die bisherigen Gegner den Freiburgern, sie würden diesmal um Europa mitspielen. Soll heißen: um die Plätze fünf bis sieben.

SC Freiburg mit neuer Arena für 34.700 Fans

Europa, hört sich doch gut an. Und ein Europa-Park-Stadion haben sie ja jetzt auch. Eine neue, moderne Arena mit 34.700 Plätzen und damit über 10.000 mehr als im altehrwürdigen Dreisamstadion, in dem Streich und seine „Salzmänner” beim 3:0 gegen Augsburg ein letztes Tränen-umranktes Happening gefeiert hatten. „Salzmänner” nennt der Trainer seine Spieler öfter mal, besonders dann, wenn sie den Gegner in Grund und Boden gelaufen hatten. Salzmann war einmal ein Beruf, bei dem es auf Kondition und Geschwindigkeit ankam.

Die Salzmänner passen zum SC Freiburg und der Story vom etwas anderen Klub im Profifußball. Zum SC Freiburg und seinem speziellen Trainer, der einen Horizont hat, der weit über Fußball hinaus geht. Zum SC Freiburg und seiner Philosophie, Werte zu formulieren und zu pflegen. So entsteht eine beeindruckende Kontinuität, die sich besser erreichen lässt, wenn man Eigenschaften miteinander in Einklang bringt wie etwa: Ehrgeiz und Gelassenheit, Zielstrebigkeit und Erdung sowie Temperament und klare Haltung. Deshalb verweisen sie in Freiburg darauf, dass als Saisonziel „immer der Klassenerhalt über allem steht”, wie Vorstand Oliver Leki auf Nachfragen erklärte, dass nun, mit dem neuen Stadion, den neuen finanziellen Möglichkeiten, man doch auch neue Zielsetzungen vornehmen könne.

SC Freiburg trotz Corona mit Jahresüberschuss von knapp 10 Millionen Euro

Die Bundesliga-Zugehörigkeit ist das Maß aller Dinge. „Einer der Erfolgsfaktoren ist, dass wir eine Gesamtstrategie haben, in der sportliche und wirtschaftliche Aspekte in gleicher Weise Berücksichtigung finden und die handelnden Personen sich dabei auch sehr einig sind”, sagt Leki. Während die meisten Bundesligaklubs in der Coronasaison 2020/21 Verluste schrieben, konnte Freiburgs Finanzvorstand jetzt einen Jahresüberschuss von 9,8 Millionen Euro bekanntgeben. „Das war nur möglich durch eine konsequente Transferpolitik, sprich die Verkäufe von Luca Waldschmidt, Robin Koch und Alexander Schwolow, und gleichzeitig durch eine konsequente Kostenpolitik”, erklärt Leki.

Trainer Christian Streich vom SC Freiburg.
Trainer Christian Streich vom SC Freiburg. © dpa

Aufgegangen ist die Transferpolitik aus zwei Gründen: Erstens, weil die Abgänge gut kompensiert werden konnten. Torwart Mark Flekken, die Schlotterbeck-Brüder Nico und Keven, Roland Sallai – alle haben Bundesligatauglichkeit. Und zweitens, weil der Stamm der Mannschaft seit Jahren beisammen ist und sich darunter auch Hochkaräter befinden. Kapitän und Freiburger Bundesliga-Rekordspieler Christian Günter etwa. Oder Vincenzo Grifo, der Edeltechniker. Oder Mittelfeldstratege Nicolas Höfler, das Gehirn im Freiburger Spiel. Oder Nils Petersen, der von den SC-Fans zum Fußballgott ernannte Torjäger, der beim 2:1 in Berlin gegen den verhinderten Big-City-Club Hertha sein 40. Jokertor in der Bundesliga machte.

Die wertvolle eigene Fußballschule

Hinzu kommen dann noch die Jungspunde aus der eigenen Fußballschule, von denen vor dieser Saison sechs zum Bundesliga-Kader gestoßen sind. „Die Fußballschule ist das Herz des Sport-Clubs”, sagt Christian Streich.

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Womit man denn wieder bei dem Mann ist, der alles verkörpert, was den SC Freiburg aus- und beliebt macht. Mal aufbrausend, immer ehrlich. Menschlich, weltoffen, witzig. Seit Dezember 2011 im Amt, ist er bei Weitem der dienstälteste Bundesligatrainer. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum hatten der VfB Stuttgart, der Hamburger SV und der FC Schalke 04 eine zweistellige Anzahl an Trainern, der VfB 16, der HSV 15 und Schalke zwölf.

Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) spielt der SC Freiburg gegen RB Leipzig. „Wenn wir unaufgeregt und schlau spielen und an unsere Leistungsgrenze gehen, können wir gewinnen.” So wie 2015 vor einer Partie gegen die Bayern könnte Christian Streich auch vor dem Leipzig-Spiel reden. Damals ging es 2:1 aus. Für Freiburg.