Essen. Werder Bremen verabschiedet sich auf beschämende Art und Weise zum zweiten Male nach 1980 aus der Bundesliga – Idee mit Schaaf geht nicht auf.
Der letzte Pfiff kam um 17.25 Uhr von Schiedsrichter Felix Brych – und anschließend herrschte im Bremer Weserstadion fast Totenstille. Torwart Jiri Pavlenka sackte am Torpfosten direkt auf den Hosenboden, Verteidiger Theodor Gebre Selassie zog sich das Trikot über den Kopf. Mit einer in jeder Hinsicht bodenlosen Darbietung bei der 2:4 (0:1)-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach hat sich der SV Werder Bremen das zweite Mal nach 1980 aus der Bundesliga verabschiedet. Der dienstältestete Erstligist verbuchte aus den vergangenen zehn Spielen nur noch einen einzigen Punkt: Einen Negativtrend, den auch der Notretter für den letzten Spieltag installierte Thomas Schaaf nicht mehr stoppen konnte. „Es hat nicht gereicht, was wir geliefert haben. Es ist eine Riesenenttäuschung und Leere bei mir“, gestand der 60-Jährige. „Ich habe es versucht und hatte gehofft, dass ich der Mannschaft noch so viel mitgeben kann, dass es reicht." Schaaf weiß genau, welche Zäsur dieser tiefe Fall für Stadt und Verein bedeuten; allzu gerne hätte er noch einmal den Rettungsanker und Identitätsstifter gegeben.
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Die Trainer-Ikone sprach seine Abschiedsworte mit brüchiger Stimme, auch das Mikrofon versagte auf der digitalen Pressekonferenz seinen Dienst – wie so vieles in diesem einst stolzen Vorzeigeverein von der Weser nicht mehr funktioniert. Kaderplanung, Nachwuchsarbeit oder Scouting: Die Norddeutschen haben auf vielen Ebenen den Anschluss verloren. Dazu hat die Corona-Pandemie ein riesiges Loch in die Vereinskasse gerissen. Den Verein drücken mittlerweile 75 Millionen Euro an Verbindlichkeiten.
Anders als beim bisher einzigen Absturz vor 41 Jahren deutet jetzt nicht viel darauf hin, dass die Grün-Weißen nur eine schnelle Strafrunde im Unterhaus drehen und dann gestärkt zurückkommen. Letztlich hat den SV Werder ein Abstieg mit Ansage ereilt. Eine von vielen Fehleinschätzungen geprägte Transferpolitik hat Sport-Geschäftsführer Frank Baumann zu verantworten, der bereits vor einem Monat Trainer Florian Kohfeldt mit einem unwürdigen Eiertanz entmachtet hatte. Baumann bekundete im Anschluss dennoch trotzig, den Neuaufbau mit Rückendeckung des Aufsichtsrates gestalten zu wollen. „Unser Ziel muss es sein, direkt wieder aufzusteigen. Wir treten allerdings in einer extrem starken zweiten Liga an.“ Der 45-Jährige bezeichnete den Abstieg als „unnötig“, deshalb verspüre er neben „brutaler Enttäuschung“ auch „ein Stück weit Wut“.
Letztlich gelang es nicht einmal seinem früheren Meistertrainer Schaaf, der Mannschaft wieder Leben für das zweite Abstiegsendspiel binnen elf Monaten einzuhauchen. Wo im Juni 2020 ein furioses 6:1-Schützenfest gegen den 1. FC Köln für einen lebensrettenden Energieschub sorgte, stand zu Pfingsten 2021 ein Offenbarungseid, den auch die 100 lärmenden Mitarbeiter auf der Nordtribüne mit großer Enttäuschung registrierten. Bereits mit der ersten flüssigen Kombination trafen die Gladbacher durch Lars Stindl (3.).
Werder Bremen: Davie Selke vergibt die größte Chance
Eine Chance hatte Werder zum Ausgleich, die als Symbolbild des Untergangs in die Annalen eingehen wird: Als Davie Selke freistehend gegen Gäste-Torwart Yann Sommer vergab (19.). Danach ging die von Schaaf versuchte Belebung der Offensive mit einer Mittelfeld-Raute und zwei nominellen Spitzen nach hinten los: Marcus Thuram (52.), Rami Bensebaini (58.) und Florian Neuhaus (68.) erhöhten gegen desolate Hanseaten vorübergehend sogar auf 4:0, ehe Milot Rashica (81.) und Niclas Füllkrug (83.) noch Ergebniskosmetik betrieben. Es könnten für lange Zeit sogar die letzten Bundesliga-Treffer an der Weser gewesen sein. Nachdem etliche Fans vor Anpfiff am Osterdeich noch Zuspruch erteilt hatten, entlud sich später heftiger Unmut vor der Ostkurve. Immer wieder skandierte die Menge dabei „Vorstand raus!“. Einige Werder-Funktionäre baten vor der Ausfahrt aus der Tiefgarage sogar um Polizeischutz.
Derweil machte sich der Mönchengladbacher Mannschaftsbus ohne Beeinträchtigungen auf die Heimfahrt. Zum Abschied von Trainer Marco Rose bot die Fohlenelf noch einmal eine ordentliche Leistung, die sich allerdings wegen des Sieges von Union Berlin als Muster ohne Wert erwies. Entsprechend enttäuscht war der Borussen-Coach über den achten Platz im Abschlussranking. „Wir hatten das klare Ziel formuliert, dass wir wieder europäisch spielen wollten. Das haben wir sehr knapp verpasst“, sagte Rose. Zugleich dürfte sein Nachfolger Adi Hütter gar nicht mal betrübt sein, dass ihm die mühevolle Qualifikation für die Europa Conference League erspart bleibt.