Essen. Fritz Keller tritt mit einem Rundumschlag als DFB-Präsident zurück. Dabei braucht der Verband eine größere Reform. Ein Kommentar.

Fritz Keller ist gegangen, doch die Probleme beim Deutschen Fußball-Bund bleiben. Mit dem nur folgerichtigen Rücktritt des DFB-Präsidenten nach dessen verbaler Entgleisung (Keller verglich DFB-Vize Rainer Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler) setzt gleichwohl nicht gleichzeitig das Großreinemachen ein, das der mitgliederstärkste Einzelsportverband der Welt dringend benötigt. Dabei geht es um weit mehr als nur ein Gesicht des deutschen Fußballs zu Repräsentationszwecken bei der bevorstehenden Europameisterschaft.

Abgesehen von persönlichen Animositäten zwischen Keller und Koch geht ein Riss durch die Fußball-Landschaft; Profis geht es mehr um Profite, Amateuren mehr um das Gehörtzuwerden. Ihre Sorgen in Zeiten der Corona-Pandemie gelten dem eigenen Fortbestand, weil Mitglieder sich abwenden, der Spielbetrieb größtenteils in den unteren Ligen lahm liegt. Wer die Spitze des DFB vertritt, ist ihnen rein vom Namen her schon weitgehend egal.

Keller ist weg beim DFB, aber Koch hat auch keinen Rückhalt an der Basis

Fritz Keller ist schon vom Posten des Präsidenten zurückgetreten und hat dabei noch einmal alle Missstände des DFB aufgezählt. Sein Widersacher Friedrich Curtius (Generalsekretär) räumt zeitnah das Feld, Schatzmeister Stephan Osnabrügge stellt spätestens beim Bundestag im kommenden Jahr seinen Stuhl zur Verfügung. Auch wenn Rainer Koch als Vizepräsident aufhören will, sieht er sich auch ohne den Rückhalt der Basis (laut einer repräsentativen Umfrage des Sport-Informationsdienstes entzogen ihm 81,2 Prozent der rund 2000 Befragten das Vertrauen) weiter im Präsidium. Genauso wie Peter Peters, früherer Finanzvorstand von Schalke 04, im mächtigen Präsidialausschuss. Die größten Strippenzieher sichern sich also ihre Pfründe.

Wie sollen vor diesem Hintergrund interessengesteuerte Machtkämpfe, Intrigen und Missgunst ein Ende nehmen? Richtig, das ist unmöglich. Ganz egal, wer der neue DFB-Präsident sein wird. Noch immer belastet die unzureichend aufgearbeitete Affäre um das Sommermärchen 2006 das Renommee des DFB, die Vermarktung der Nationalmannschaft ist für viele Fans jenseits der Grenzen des Erträglichen. Selbst wenn ein sportlicher Erfolg der Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw bei der EM die Sorgen für eine Weile übertünchen würde: Es bleiben zahlreiche Probleme zu lösen und Gräben zuzuschütten.

DFB muss sich Gedanken abseits von Keller und Koch machen

Ohne Keller, aber mit Koch: Solange alte Seilschaften bestehen bleiben, wird es kaum gelingen, das Antlitz des DFB aufzubessern. Der Verband hat erkannt, dass es neben einer Neuaufstellung auch einer Neuausrichtung bedarf. Dahingehend sollten mehr Gedanken verwendet werden, bevor wieder ein Kandidat oder eine Kandidatin ausgeguckt wird, um das verkrustete System anzugehen.