Essen. Paris Saint-Germain fehlt ein großer internationaler Titel. Der Klub vermarktet sich aber global erfolgreich wie kaum ein anderer. Wie geht das?

Wenn sich an diesem Dienstagabend im Halbfinal-Rückspiel der Champions League Manchester City und Paris Saint-Germain gegenüberstehen (21 Uhr/Sky, DAZN), dann ist das nicht unbedingt ein Fest für Fußballromantiker. Hinter dem einen Klub steht ein Investor aus Abu Dhabi, hinter dem anderen eine Investorengruppe aus Katar. Beide eint zudem ein Dilemma: Obwohl sie seit Jahren mit sehr viel Geld versorgt werden und ihre nationalen Wettbewerbe dominieren, so fehlt ihnen doch ein großer internationaler Titel. Der Druck ist groß, besonders auf PSG, das nach dem 1:2 im Hinspiel nun auswärts die schwierigere Aufgabe zu bewältigen hat, um wie schon im Vorjahr ins Finale einzuziehen.

Andererseits: Warum eigentlich der Druck? PSG beweist seit Jahren, dass ein Fußballklub es auch ohne internationale Titel zu einer Weltmarke bringen kann.

Von DiCaprio bis Beyoncé: Schauspieler und Musikstars tragen PSG-Mode

Angesagte Rapper dichten Songs über PSG, Designer kreieren sündhaft teure Kleidung auf Basis der Trikots, die dann bei den wichtigsten Modeschauen präsentiert werden. Es gibt eigens produzierte PSG-Sneaker einer bekannten Sport-Marke. Schauspieler und Musikstars wie Leonardo DiCaprio, Rihanna, Beyoncé oder Basketball-Superstar LeBron James tragen PSG-Mode, sie waren Gast im Pariser Stadion als dies noch möglich war. Gerade in den USA und Asien ist PSG enorm beliebt. Wie ist das gelungen?

Sascha L. Schmidt, Professor an der WHU, der Otto Beisheim School of Management, erklärt das Phänomen: „PSG setzt wie kaum ein anderer Fußballklub in Europa auf Diversifikation seiner Geschäftsfelder. Die Verantwortlichen haben es seit dem Einstieg von Katar sehr gut verstanden, sich als globale Lifestyle-Marke zu etablieren.“

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2012 wurde die katarische Investorengruppe Qatar Sports Investments (QSI) zum Eigentümer von PSG. Konsequent wurde der Klub „neu positioniert mit dem Ziel, ein globales Entertainment-Unternehmen zu werden“. Fabien Allegre, Leiter des Merchandisings, sagte einmal der New York Times: „Wir gehen dorthin, wo andere Klubs nicht hingehen.“ Sascha L. Schmidt, an der WHU auch Direktor des „Center for Sports and Management“, sagt: „Die vom Top-Management gelebte Gesamtstrategie von PSG ist schon einzigartig“. Doch er glaubt auch, dass dieser Ansatz einer ist, „den wir in Zukunft sicher häufiger bei Fußballklubs sehen werden“.

Anhänger von Traditionsklubs werden sich bei diesem Gedanken die Nackenhaare aufstellen. Für sie steht gerade PSG mit dem Geld aus Katar, einem Land, das es mit Menschenrechten nicht so eng sieht, für alles, was schief läuft im Fußballgeschäft. Pfiffe und Proteste von Fan-Gruppen begleiten die Spieler um den für 222 Millionen Euro verpflichteten Superstar Neymar, wenn PSG zu Gast in Stadien wie dem von Borussia Dortmund ist.

Popsänger Justin Timberlake trägt 2018 bei einem Konzert in Paris eine PSG-Jacke.
Popsänger Justin Timberlake trägt 2018 bei einem Konzert in Paris eine PSG-Jacke. © dpa

„Als Anhänger von Traditionsvereinen, mag man die Entwicklung falsch finden. Genauso wie die Idee einer Super League“, sagt Sascha L. Schmidt. „Aber Innovation im Fußball ist meiner Meinung nach generell sehr wichtig. Die Uefa, die DFL – sie gab es ja auch nicht schon immer, sie sind aufgrund von Neuentwicklungen im Profifußball entstanden.“

Schalke 04: eSport-Abteilung funktioniert trotz sportlicher Probleme

Durch die Corona-Pandemie sei zudem noch einmal deutlich geworden, „wie wichtig es für Fußballklubs ist, nicht vollständig vom sportlichen Erfolg abhängig zu sein. Durch die Erweiterung auf andere Geschäftsfelder können sie sich breiter aufstellen.“ Als Beispiel nennt er Schalke 04: „Die eSport-Abteilung funktioniert unabhängig vom Erfolg der Fußballmannschaft.“

Paris Saint-Germain hat das auf extreme Weise geschafft. Auch an der Super League hätte sich PSG beteiligen sollen. Doch die endgültige Zusage des Klubs blieb bis zum schnellen Ende der Hau-Ruck-Liga aus. Sicherlich: PSG wäre ein enormes Zugpferd für diese Liga gewesen. Die gewachsene Strahlkraft – mit allein über 34 Millionen Followern im Sozialen Netzwerk Instagram – hat mehrere Gründe.

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„Bei PSG haben sie auf drei Dinge gesetzt“, erklärt Schmidt. „Zunächst haben sie die Metropole Paris in ihre Vereins-DNA aufgenommen, ihr Erscheinungsbild so verändert, dass es auf die Stadt-Marke einzahlt.“ 2013 wurde das Logo des Klubs angepasst. Darin ist das Wort „Paris“ erstmals deutlich größer zu lesen als „Saint-Germain“, dabei liegt in diesem Vorort der eigentliche Ursprung des Klubs. Auch der Slogan „Ici c’est Paris“ lässt keinen Zweifel: „Hier ist Paris.“ Nichts mit Vorort, was schnell an Provinz denken lässt. Da, wo PSG ist, ist Metropole. „Dann haben sie ganz bewusst die Nähe zu Mode, Film und Musik gesucht“, sagt Schmidt weiter. Die Stars tauchten in Trailern für Blockbuster auf, Promis trugen PSG-Klamotten. „Das ist für eine Marke die Krönung: Wenn Prominente, deine Klamotten tragen, ohne dass sie dafür bezahlt werden“, sagt Schmidt.

PSG: Glamour, Exklusivität, Sehen und Gesehen-Werden

Der dritte Streich: „Sie setzten auf den Entertainment-Sektor.“ Als beispielsweise die Rolling Stones in Paris Konzerte spielten, liefen die PSG-Profis in Sonder-Trikots in Anlehnung an das Band-Logo auf. Im Stadion gibt es zudem einen speziellen Bereich, der wie ein Nachtclub eingerichtet ist: mit Bar, DJ und exklusivem Blick durch eine Glasfront auf das Spielfeld. „Das hat natürlich nichts mehr mit Bratwurst- und Bier-Romantik zu tun“, sagt Schmidt. Hier geht es vielmehr um Glamour, Exklusivität, Sehen und Gesehen-Werden.

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„So vermischen sich nach und nach die unterschiedlichen Zielgruppen. Die Fußball-Marke steht nicht mehr unbedingt im Fokus. Das ist wie bei Sneakers: Eigentlich sind es Turnschuhe, um darin Sport zu treiben. Doch natürlich werden sie längst auch aus modischen Gründen in anderen Kontexten, im Alltag getragen“, sagt Schmidt.

Aber ist deshalb egal, woher das Geld für den Klub kommt? Überall gibt es einen Trend zu Nachhaltigkeit, Fairtrade und Klimaschutz. Katar steht für das Gegenteil: Der Reichtum des Staates basiert auf seinem Ölvorkommen, Arbeiter werden ausgebeutet, Klimaschutz ist bei dauerlaufenden Klimaanlagen ein Fremdwort. Doch auch Schmidt bemerkt: „Die Kritik am Investor aus Katar ist in der Zielgruppe jenseits des Kernfußballmarktes offenbar weniger ein Thema – vielleicht weil die Prägung fehlt, dass Fußball mit Tradition in Verbindung steht.“

PSG setzt nicht auf Traditionsfans

Mit Fans, die es mit Tradition halten, können die Verantwortlichen aus Katar ohnehin offenbar nicht viel anfangen. Stellungnahmen zu Kritik aus der Fanszene gibt es selten. Doch auch das passt zum Konzept: Für PSG sind längst andere Zielgruppen als die Traditionsfans relevant. Sie setzen viel mehr auf die immer häufiger auftretenden Star-Follower oder Highlight-Fans. Ihnen geht es laut einer von Schmidt und seinem Team durchgeführten Studie, um ihre Lieblingsspieler oder das Spektakel. „Mit Blick auf die junge Generation ist das sehr clever“, sagt Schmidt.

Paris Saint-Germain ist es also gelungen mit sehr viel Geld und einem stringenten Konzept zu einer Weltmarke aufzusteigen – und dass ohne jemals den Thron Europas bestiegen zu haben. Also müssen sich Spieler und Trainer heute gar keinen Druck machen? Weil Erfolg gar nicht notwendig ist, so lange genug Geld für die Marketing-Strategie da ist?

„Natürlich spielt Geld bei dem PSG-Modell eine große Rolle“, sagt Sascha L. Schmidt. Deshalb sei sportlicher Erfolg aber längst nicht irrelevant. „Natürlich würde der Gewinn der Champions League PSG international nochmal einen riesigen Schub geben.“ Mehr geht eben immer. Ein bisschen Druck bleibt also doch.