Frankfurt. DFB-Präsident Fritz Keller beleidigt seinen Vize Rainer Koch mit einem absonderlichen Nazi-Vergleich. Das könnte ihn das Amt kosten.
Es sind gerade wunderschöne Frühlingstage im Frankfurter Stadtwald. Überall sprießen die Knospen und Blüten. Besonders beliebt ist unter den Spitzenfunktionären vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) ein Spaziergang entlang der Schneise. Immer schnurstracks geradeaus – und irgendwann dreht man einfach um.
Auch Präsident Fritz Keller ist diesen Weg häufig gegangen, um in turbulenten Tagen den Kopf freizubekommen. Nun aber scheint sich das Verbandsoberhaupt in einer Sackgasse zu befinden, aus der es kaum noch Entrinnen mehr gibt. Zu schwer lastet die Bürde eines beschämenden Nazi-Vergleichs, nachdem Keller am Freitag auf der Präsidiumssitzung in einem Wortgefecht den mächtigen Vizepräsident Rainer Koch als „Freisler“ beschimpfte.
Rund 20 Zuhörer sollen im Raum gewesen sein, nicht jeder verstand sofort das Wort und die Bedeutung: Roland Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekonferenz einer der Verantwortlichen für die Organisation des Holocausts und später Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes. Von den dort vollstreckten 2600 Todesurteilen war auch die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ betroffen. Den früher am Münchener Oberlandesgericht tätigen Strafrichter Koch „auch nur ansatzweise in die Nähe des höchsten Repräsentanten der unsäglichen und menschen-verachtenden Willkürjustiz des Dritten Reiches zu rücken“, sei völlig abwegig, teilte das Präsidium des Süddeutschen Fußball-Verbandes mit, dem Koch vorsteht.
DFB-Präsident Keller denkt nicht an Rücktritt
Keller räumte ein, dass er mit der Bemerkung „einen schwerwiegenden Fehler“ begangen habe. Der preisgekrönte Winzer strebt die schnelle Versöhnung mit dem findigen Juristen an. Einen Rücktritt schloss Keller vorerst ausdrücklich aus. Tölpelhaft aber, dass der 64-Jährige zunächst mitteilen ließ, der Präsidiumskollege Koch habe die Entschuldigung angenommen – das stimmte gar nicht. Aus dem Bayerischen Fußball-Verband hieß es stattdessen: „Rainer Koch hat die Entschuldigung bislang nicht angenommen, weil er den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlichen Gespräch mit Fritz Keller aufarbeiten möchte.“ Hierzu konnte nur Keller nur kleinlaut sein Bedauern ausdrücken, dass sein erstes Statement einen falschen Eindruck erweckte. Zudem sagte Keller: „Insbesondere im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus war der Vergleich unangebracht. Ich werde meine Worte künftig weiser wählen.“
Doch längst reicht das Entsetzen weit über den Sport hinaus und entfaltet eine politische Dimension von immenser Sprengkraft. Seine erste Entschuldigung („manchmal fallen in Kontroversen Worte, die nicht fallen sollen und nicht fallen dürfen“) wirkte zusätzlich entlarvend. Hat ihn der zermürbende Machtkampf im Intrigantenstadl DFB den inneren Kompass gekostet?
Bei der Klärung vor der verbandsinternen Ethikkommission dürfte der Druck auf Keller gewaltig wachsen – viele finden, dass der Gastronom vom Kaiserstuhl für den deutschen Fußball nicht mehr tragbar ist. Vielleicht muss es gar keinen Außerordentlichen Bundestag mehr geben, um den dritten Sturz eines DFB-Präsidenten nach Wolfgang Niersbach (2015) und Reinhard Grindel (2019) zu erzwingen.
Skandal mit neuer Dimension
Der Verband mit seinen sieben Millionen Mitgliedern und 25.000 Vereinen ist mitten in der Pandemie an einem moralischen Tiefpunkt angekommen. Der Imageschaden ist verheerend. Und es macht es für Keller nicht besser, dass sehr wohl irgendwann auch hinterfragt gehört, warum seine Gegenspieler, vor allem Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge, in Kurt Diekmann eine Art Doppelagenten beschäftigten. Der Weseler Medienberater, der sowohl mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel als auch mit dem DFB Verträge schloss, um dabei so viel belastbares Material zu sammeln, dass sich Kellers Vorgänger Grindel zum Rücktritt gezwungen sah. Diese Vorgänge verblassen indes vor dem neuesten Skandal. Fritz Keller könnte in der monatelangen Schlammschlacht den entscheidenden Fehler gemacht haben.