Essen. Drei Generationen schwarzer Fußballprofis leiden in Deutschland unter Rassismus. Die Dokumentation “Schwarze Adler“ thematisiert ihren Kampf.
Der karge Raum verrät, dass sich irgendwann mal jemand richtig Mühe mit ihm gegeben hat. Ein Spiegel und schwarz-gelbe Kleiderhaken im knubbeligen Design der 1980er-Jahre an einer in Weiß und Anthrazit bemalten Backsteinwand zeugen von einer noch immer gepflegten Umkleidekabine, die aber schon mal bessere Tage gesehen hat.
Es gibt wohl kaum einen deutscheren Ort als die Umkleidekabine eines Fußballvereins. Der Raum spielt im Doku-Film „Schwarze Adler“, der ab heute beim Streaming-Anbieter Prime und am 18. Juni im ZDF zu sehen sein wird, keine besonders große Rolle, bildet aber die perfekte Projektionsfläche für die Frage: Wie viel Deutsch ist genug, um deutsch zu sein?
Was vordergründig nach einer wirklich blöden Frage klingt, beschäftigt einen Teil der Bevölkerung tagtäglich, eben weil ihre Bemühungen in den Augen anderer nie auszureichen scheinen. Der Dokumentarfilmer Torsten Körner hat dazu schwarze Nationalspieler befragt. Deshalb geht es in „Schwarze Adler“ nur sehr vordergründig um sehr gute Fußballspieler, sondern viel mehr um Rassismus im Fußball – und in der Gesellschaft.
Wenn man immer als Ausländer bezeichnet wird, fühlt man sich auch so
Erwin Kostedde (74), der erste schwarze deutsche Nationalspieler, kommt in der Dokumentation zu Wort, die sich nicht mit den Motiven des Rassismus beschäftigt, sondern zornig-emotional allein mit seiner Wirkung. Unter anderem sprechen die Welt- und Europameisterin Steffi Jones (48), Jimmy Hartwig (66), die einstige Jugendnationalspielerin Shary Reeves (51), Schalke-Legende Gerald Asamoah (42) oder Bremens Juniorennationalspieler Jean-Manuel Mbom (21).
Die Spielerinnen und Spieler, mit denen Körner gesprochen hat, vereint eine Zerrissenheit: Dem Stolz, für Deutschland spielen zu dürfen, steht das verstörende Gefühl gegenüber, ein Land zu lieben, das sie allzu oft nur zu dulden scheint. Der frühere Bundesligaprofi Otto Addo (45), derzeit Co-Trainer bei Borussia Dortmund, sagt dazu: „Man sieht sich doch immer auch, wie man von außen gesehen wird.“ Wenn man immer als Ausländer bezeichnet werde, fühle man sich schließlich so. Zorn mischt sich mit Liebe: Steffi Jones schwärmt von ihrem ersten Fußballverein, bezeichnet ihn als „Familie“. Jimmy Hartwig bekommt auch mehr als 40 Jahre später noch leuchtende Augen, wenn er von seinem Debüt in der Nationalmannschaft spricht. Stolz trägt er in der Doku das Trikot von einst.
Es gibt erschütternde Sätze, Worte, die aber wohl nur für den wohlbehüteten Weißen unfassbar scheinen: Erwin Kostedde, Sohn eines US-Soldaten und einer Deutschen, erzählt, wie seine Mutter damals als „Negerhure“ beschimpft wurde, schildert, wie er sich als Jugendlicher mit Kernseife wusch, um weißer zu sein, weniger aufzufallen. Beileibe kein Einzelfall: Jimmy Hartwig wiederum erzählt von einem Großvater, der ihn oft „Bastard“ genannt habe.
Der offene Rassismus scheint endgültig an den rechten Rand gedrängt
Alles olle Kamellen? Gerald Asamoah, einer der gefeierten Helden des WM-Sommermärchens 2006, wurde wenige Monate nach der Party am Brandenburger Tor beim Pokalspiel seiner Schalker in Rostock 90 Minuten lang mit Affenlauten verfolgt. Zehn Jahre später machte AfD-Politiker Alexander Gauland vor der EM 2016 gegen Nationalspieler Jerome Boateng Stimmung, dieser sei nicht als Nachbar geeignet.
Freilich hat sich einiges verändert. Die postkoloniale Herablassung, die in der Sportberichterstattung der Nachkriegsjahre unverhohlen durchschimmert, ist verschwunden. Der offene Rassismus scheint endgültig an den rechten Rand gedrängt.
„Schwarze Adler“ bemüht sich um Facettenreichtum. Den laut gegrölten „Neger-raus“-Chören von den Tribünen stellt Filmemacher Torsten Körner Graffitis und Aufkleber entgegen, die in stummem Trotz den Schreihälsen „No to racism“ oder „Nazis raus“ entgegnen.
"Wir haben dieselben Probleme wie vor 20 oder 30 Jahren"
Gen Ende der Dokumentation stellt „Schwarze Adler“ einer hässlichen Szene einen hoffnungsvollen Moment entgegen. Eine Woche nachdem der Berliner Fußballprofi Jordan Torunarigha (23) beim Spiel von Hertha BSC in Gelsenkirchen erst beleidigt und dann vom Platz gestellt worden war, weil er das nicht hinnehmen wollte, hielten beim Heimspiel der Hertha Tausende Anhänger Zettel und Plakate mit der 25, der Spielernummer Torunarighas, empor.
Das zarte Pflänzchen Hoffnung, es sei dadurch alles gut in der Gesellschaft, zertritt Otto Addo mit wenigen Sätzen: „Wir haben dieselben Probleme wie vor 20 oder 30 Jahren. Schwarze werden benachteiligt, sei es bei der Wohnungs-, sei es bei der Jobsuche. Im Alltag hat sich nicht viel geändert.“ Das ist nicht der Schlusssatz der wirklich gelungenen Dokumentation, aber die zentrale Botschaft: Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.