Essen. Joachim Löw wäre besser nach der WM 2018 zurückgetreten. Er ist kein Mann für die Zukunft. Seine Verdienste bleiben unbestritten. Ein Kommentar.
Joachim Löw wird nach der Europameisterschaft in diesem Jahr nicht mehr Bundestrainer sein. Ein Gedanke, an den man sich erst einmal gewöhnen muss. Schließlich hat er den Job bereits 2006 in der Folge der Begeisterung um die Heim-WM übernommen, schließlich ist er der dienstälteste Nationaltrainer der Welt.
Der Weltmeistertitel 2014 wird auf ewig sein Werk bleiben, dieser Triumph war die Vollendung einer bereits bei der WM 2010 erkennbaren Entwicklung. Mit dem Namen Joachim Löw ist aber auch die historische WM-Pleite von 2018 verbunden, dieser peinliche Vorrunden-K.o., dessen Nachwirkungen bis heute zu spüren sind. Die deutsche Nationalmannschaft und ihre sportliche Leitung haben seit dieser WM an Attraktivität und Akzeptanz eingebüßt, und der von Löw ausgerufene Umbau funktionierte nicht wie gewünscht.
Löws Verbleib nach der WM 2018 war falscher Ehrgeiz
Direkt nach der WM in Russland, als viele schwer enttäuschte Fußball-Anhänger seinen Rausschmiss forderten, hätte Löw zurücktreten müssen. Die Verantwortung zu übernehmen und Platz zu machen, das hätte man ihm zu diesem Zeitpunkt noch als Größe auslegen können – sein Ruf als Weltmeistertrainer wäre ihm geblieben.
Aber Löw wollte so nicht gehen. Er wollte den Schaden reparieren. Heute wissen wir: Das war falscher Ehrgeiz.
Die 0:6-Blamage in Spanien ist hängengeblieben
Seine Idee von der Umgestaltung des Teams, konkretisiert durch die Ausbootung der weltmeisterlichen Routiniers Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng, hätte sich nur durch herausragende Ergebnisse und hochattraktiven Fußball rechtfertigen lassen können. Doch im November blamierte sich die deutsche Mannschaft mit 0:6 in Spanien. Das ist hängengeblieben. Das lässt sich nicht mehr schönreden. Auch beim DFB verlor der Bundestrainer die Rückendeckung.
Löw kann nicht mehr der Mann für die Zukunft der deutschen Auswahlmannschaft sein. Seine Entscheidung, den Weg frei zu machen, kommt zwar zu spät, aber sie ist richtig. Daraus ergeben sich nun zwei bedeutende Fragen. Wird ihm auf der Zielgeraden bis zur EM noch die Luft ausgehen? Und: Wer könnte sein Nachfolger werden?
Die Nachfolgeregelung wird spannend werden
Es wird Löw gelingen müssen, schon bei den drei WM-Qualifikationsspielen in diesem Monat gegen Island, in Rumänien und gegen Nordmazedonien das Team wieder auf Kurs zu bringen. Sollte das schiefgehen, dürfte der Abschied vorgezogen werden. Schon nach dem Spanien-Spiel waren nicht wenige Kritiker der Meinung, selbst eine Notlösung sei mit Blick auf die Europameisterschaft besser als das Festhalten an Löw.
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Mit Spannung wird zu beobachten sein, wie der DFB die Nachfolge regeln will und kann. Bayern-Trainer Hansi Flick ist natürlich ein Kandidat – in diesem Fall hinge alles von der Bereitschaft des aktuellen Arbeitgebers ab. Der Ruf nach Jürgen Klopp könnte trotz seiner spontanen Absage noch laut werden. Auch die Idee mit Ralf Rangnick ist nicht uncharmant. Bliebe noch U21-Trainer Stefan Kuntz, der Spieler mitzureißen versteht.
Solider Übergang oder großes Chaos? Dass Joachim Löw die EM noch mitnehmen und der DFB ihm die Nationalmannschaft bei dem Turnier anvertrauen will, ist riskant. Für Löw selbst, aber auch für den deutschen Fußball.