Düsseldorf/Essen. Im Fußball haben Frauen immer noch wenig Macht. 2022 wird ein DFL-Spitzenplatz frei. Ute Groth klagt über Herrenrunden
Als Ute Groth den Denkanstoß von Wolfgang Holzhäuser hört, muss sie erst mal lachen. Nicht, weil das, was der frühere Ligapräsident sagte, so wahnsinnig lustig wäre. Nein, lustig ist es überhaupt nicht. Und doch hat es eine bittere Komik. „Und wenn es dann doch eine Geschäftsführerin ist?“, fragte der 70-Jährige im Deutschlandfunk. „Das wäre doch auch mal was für den Fußball.“
Allein Frage der Männer: Kann das auch eine Frau machen?
Ute Groth lacht, weil die Frage oft gestellt wird, wenn ein Posten im Profifußball frei wird. Und weil die Frage im 21. Jahrhundert überhaupt noch gestellt werden muss. 2022 tritt der viel gelobte Christian Seifert als Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ab. Ein Platz wird frei. Seiferts Ankündigung ist nun schon einige Wochen her, hinter den Kulissen wird die Nachfolge langfristig vorbereitet. Ein Einwand wie der von Holzhäuser dürfte Seltenheitswert haben, ist aber mehr als einen Gedanken wert.
Kann das auch eine Frau machen? Eine Frage, die sich wohl ausschließlich Männer stellen.
Schalke mal als Vorbild
Es gibt in der deutschen Fußball-Elite wenige Frauen, die eine Stimme haben. Auf Schalke führt seit kurzem Christina Rühl-Hamers die Finanzgeschäfte. Beim Revierrivalen BVB sitzt immerhin Silke Seidel im Aufsichtsrat. Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) darf sich Hannelore Ratzeburg 17 Männern im Präsidium mitteilen. Heike Ullrich hat es aber in die Machtspitze geschafft: Sie ist stellvertretende Generalsekretärin und Direktorin für Frauen- und Mädchenfußball.
Ute Groth gehört zu jenen Frauen, die an dem Ist-Zustand etwas ändern wollen. In ihrer Heimat Düsseldorf ist sie die Vorsitzende des Sportvereins DJK Tusa 06. Im vergangenen Jahr wurde die 61-Jährige deutschlandweit bekannt. Sie kandidierte für das DFB-Präsidentenamt. „Gigantisch“ sei das mediale Interesse gewesen, auch heute gebe es noch Anfragen: „Durch meine Kandidatur bin ich ja zur Fachfrau für Gleichstellung im deutschen Fußball geworden.“ Dabei sei das nicht ihr Anliegen gewesen: „Ich wollte dem Amateurfußball seine Stimme zurückgeben. Das war der Hauptgrund.“
Kritik an den Machtstrukturen beim DFB
Ute Groth hat verloren, stattdessen wurde Fritz Keller gewählt. Ein weiterer Mann an der Spitze in der 120-jährigen Geschichte des größten Sportverbandes der Welt. Sie bereue nichts, sagt sie. Sie habe viele Kontakte knüpfen können und hofft, weiterhin etwas bewegen zu können. Aber das, was sie über die Machtstrukturen des DFB zu sagen hat, dürfte den Mächtigen nicht gefallen: „Fritz Keller hat bei einer Rede vor der Wahl erzählt, dass man in der dritten Halbzeit bei einem Glas Wein zusammengesessen und einige Dinge besprochen hätte. Ich stelle mir eine richtige Herrenrunde mit Smoking und Zigarren vor einem Kamin vor. Eine Frau findet in so einem Kreis doch gar keinen Platz. Die einzige, die dabei sein kann oder muss, ist die Kellnerin. Das ist nichts, was Frauen dazu einlädt, mehr mitzugestalten.“ Fußball sei immer noch eine Männerwelt, egal ob auf Kreis- und Verbandsebene. „Das macht mich manchmal schon traurig. In der Basis gibt es mehr Frauen, die sich einbringen, aber die bleiben weitestgehend unsichtbar.“
DFL-Nachfolge: Kraus winkt ab
Ute Groth erinnert sich an das Jahr 1975. Damals wurde beschlossen, dass Frauen ihren Namen nach der Heirat behalten dürfen. „Ich dachte: Jetzt geht es richtig los. Aber das interessierte niemanden. Seitdem ist auch nicht wirklich viel passiert. Deshalb glaube ich, dass es noch sehr lange dauern wird, bis es eine Frau nachhaltig an die Spitze eines Vereins oder Verbandes schafft.“
Es gibt Fortschritte. In Deutschland hat es Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus in die Bundesliga geschafft. In England sorgte Chelsea-Direktorin Marina Granovskaia mit dafür, dass Nationalspieler Timo Werner auf die Insel wechselte. In Deutschland saß die frühere Europameisterin Katja Kraus jahrelang im Vorstand des Hamburger SV. Sie ist für Ute Groth eine, die Seifert ersetzen könnte: „Sie hat schon sehr viel Erfahrung gesammelt.“
Doch Katja Kraus winkt ab: „Ich bin nicht interessiert“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin der Sportmarketing-Agentur Jung von Matt/Sports auf Nachfrage. Gleichwohl setzt sie sich für eine stärkere Beteiligung von Frauen auf Führungsebene ein. In einer Rede auf der Bundespressekonferenz forderte die 50-Jährige eine Frauenquote. „Allzu oft heißt es aus dem Sport, es gebe keine Frauen, die eine Spitzenposition anstreben. Das ist falsch“, sagte sie. Es gebe bislang keine Karriereförderung und keine Kompetenzzuschreibung. Und es brauche endlich Vorbilder. Ihre Töchter könnten sich etwa vorstellen, Bundeskanzlerin zu werden, aber nicht Vorstandsvorsitzende eines Bundesliga-Klubs. „Es ist Zeit für Veränderung. Und Systeme werden nicht von denjenigen verändert, die sie geschaffen haben.“