Essen. Willi Lippens, Kultfußballer aus Essen, wird heute 75 Jahre alt. Er ist bekannt als Ente und Entertainer – und durch einen unvergessenen Spruch

Vor wenigen Wochen war mal wieder ein TV-Team auf seiner Ranch „Mitten im Pott“ zu Gast, diesmal für die Sonntagssendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ im WDR. Willi Lippens saß auf einer Holzbank vor dem stilecht rustikalen Restaurant und schwelgte in Erinnerungen – an eine Zeit, in der er, den sie wegen seines unverwechselbaren Watschelgangs Ente nannten, der gefeierte Star des Bundesligisten (!) Rot-Weiss Essen war. Unfassbar trickreich, zuverlässig torgefährlich und vor allem: für jeden Spaß zu haben. Die Menschen liebten ihn dafür, und wer ihn damals spielen sah, verehrt ihn bis heute. Und freut sich mit ihm darüber, dass er an diesem Dienstag 75 Jahre alt wird.

Spaßvogel Willi
Spaßvogel Willi "Ente" Lippens: So liebten ihn die Fußballfans in den Siebzigern. © ffs

Ente Lippens narrte die Verteidiger

Sätze, die mit „Früher“ beginnen, hört man einfach gerne von ihm. Sie klingen nämlich so: „Früher haben die Verteidiger richtig von hinten reingetreten, die würden dafür heute ganz schnell Gelb sehen – und nach einer Viertelstunde Rot.“ Dass die Abwehrspieler „ordentlich dazwischenwichsten“, wie er es auf seine Art auch beschreibt, war allerdings kein Wunder: Wer lässt sich schon gerne vorführen? Willi Lippens, der Linksaußen, narrte seine Gegenspieler, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Er nervte sie mehr als ein Wadenkrampf.

Bevorzugt natürlich zu Hause, an der Hafenstraße. „Ich war ein Typ, der von der Atmosphäre getragen wurde,“ erzählt er. „Manchmal sind mir dann Dinge eingefallen, die ich vorher selbst nicht kannte.“ Sein liebster Gegenspieler war der Gladbacher Berti Vogts, Spitzname Terrier, immerhin Weltmeister. „Der Berti ist an mir verzweifelt”, erzählt Willi Lippens gerne. „Ich habe immer meinen Hintern rausgestreckt, und er kam nicht dran, weil er zu kurze Beine hatte. Ich habe dann immer noch gerufen: Berti, fass!” Einmal setzte Willi Lippens zum Sprint an, ließ aber den Ball liegen. Berti Vogts raste instinktiv hinterher, bis Lippens sich ruckartig umdrehte und den Ball abholte.

Sohn eines Niederländers und einer Deutschen

Waren das Zeiten. So sehnsüchtig wie vergeblich sucht man heute nach ähnlichen Typen. Damals in den Sechzigern und Siebzigern aber ließ der Fußball noch Originale wie Ente Lippens zu. Entertainer am Ball, Spieler mit Herz und Seele.

Willi Lippens im Einsatz für Rot-Weiss Essen. Manfred Burgsmüller (l.) beobachtet die Szene.
Willi Lippens im Einsatz für Rot-Weiss Essen. Manfred Burgsmüller (l.) beobachtet die Szene. © ffs

Das Restaurant, das die Familie Lippens in Bottrop an der Stadtgrenze zu Essen führt, heißt „Ich danke Sie!“ – der Name ist so legendär wie die Geschichte dahinter. Bei einem Regionalliga-Spiel in Herne soll ein Schiedsrichter zu ihm „Ich verwarne Ihnen“ gesagt und er eben mit „Ich danke Sie“ geantwortet haben – und deshalb soll er auch noch vom Platz gestellt worden sein. Es gibt tatsächlich Leute, die wissen wollen, dass sich dies nie so zugetragen habe. Aber zum Entertainer Ente passt diese Anekdote einfach zu schön. Ein Mythos – bitte nicht antasten.

Aufgewachsen ist Willi Lippens in Kleve am Niederrhein, als Sohn eines niederländischen Vaters und einer deutschen Mutter. 1965 kam er nach Essen, hier wurde er heimisch. Man hört es, denn er trägt den Ruhrpott in der Stimme. Lippens spielte später auch noch für Borussia Dortmund, aber sein Verein blieb immer RWE. Bei Rot-Weiss ist er Ehrenmitglied, mit dem Regionalligisten fiebert er.

Willi Lippens ist nach wie vor häufig zu Gast an der Essener Hafenstraße.
Willi Lippens ist nach wie vor häufig zu Gast an der Essener Hafenstraße. © ffs

Sein Länderspiel für die Niederlande wurde zum Reinfall

Was in seiner Vita fehlt, ist eine internationale Karriere. Er war einer der besten Linksaußen seiner Zeit, und Bundestrainer Helmut Schön hätte Willi Lippens gerne in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Aber sein Vater war dagegen, er wollte den Sohn unbedingt im niederländischen Trikot sehen. Einmal kam es auch dazu, es war ein Reinfall: Das 6:0 gegen Luxemburg 1971 blieb das einzige Länderspiel von Willi Lippens. Die anderen Nationalspieler mochten ihn nicht, sie schnitten ihn im Spiel, er war für sie der Deutsche.

Willi Lippens hat diesen Ärger, diese Demütigung verarbeitet, indem er einfach sich selbst, seiner Spielweise und seinem Humor treu blieb. Ente über Ente: „Ich habe nie eine Torchance überhastet vergeben. Lieber habe ich sie vertändelt.“