Manchester. Die Regierung hat die für Oktober vorgesehene Zuschauer-Rückkehr gekippt. Die Premier League sieht das kritisch, denn hohe Verluste drohen.
Auch in diesen turbulenten Zeiten stellt die Premier League Bestmarken auf. Am vergangenen Wochenende fielen in Englands Elite-Liga 44 Tore, das ist Rekord für einen Spieltag mit zehn Begegnungen. Die Fachwelt rätselt über die Gründe. Als mögliche Erklärungen werden angeführt: die kurze Saisonvorbereitung, die gute Form der Stürmer, der angriffslustige Aufsteiger Leeds United oder die Abwesenheit von Zuschauern, die dazu führen würde, dass die Teams sorgloser und mit mehr Mut zum Risiko operierten.
Premier League: Keine Zuschauer bis Ende März
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Am letztgenannten Umstand wird sich so schnell nichts ändern. Während auf dem Kontinent nach und nach wieder Fans durch die Stadiontore gelassen werden, sind derartige Pläne in England vom Tisch. Angesichts steigender Infektionszahlen im Land mit den meisten Corona-Toten Europas, lokaler Lockdown-Maßnahmen in vielen Ballungsräumen und neuer nationaler Restriktionen erteilte Boris Johnson auch der ab Oktober geplanten Rückkehr von Zuschauern eine Absage. Einen verbindlichen neuen Termin gibt es nicht, allerdings, so deutete es der Premierminister an, dürfte es wohl bis Ende März dauern, ehe Profisport in England wieder vor Publikum stattfindet.
Das ist ein schwerer Schlag für Sportarten wie Rugby oder den Pferdesport, und auch die Premier League geht auf die Barrikaden. Man sei „enttäuscht, dass die sichere Rückkehr von Fans zu Spielen aufgeschoben wurde“, teilte die Liga mit und wies darauf hin, dass Menschen in Stadien unter Hygiene-Auflagen sicherer seien „als bei jeder anderen öffentlichen Aktivität, die im Moment erlaubt ist“. Englands Profi-Liga ist überzeugt, dass sie die Rückkehr von Zuschauern hätte bewerkstelligen können, und fühlt sich benachteiligt, zum Beispiel gegenüber der Gastronomie. Restaurants und die in England heiligen Pubs dürfen auch unter den verschärften Auflagen weiterhin geöffnet haben, müssen aber dezent früher schließen als gewohnt.
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Nach Angaben der Liga verliert der englische Fußball aktuell mehr als rund 100 Millionen Euro im Monat, doch mit allzu viel Mitleid aus der Öffentlichkeit darf die Premier League nicht rechnen. Transfer-Ausgaben von geschätzt mehr als einer Milliarde Euro in dieser Saison deuten nicht darauf hin, dass die Armut um sich greift im englischen Oberhaus – auch wenn die Investitionen niedriger sind als in der Vorsaison. Durch einen TV-Vertrag, der den Klubs pro Spielzeit insgesamt rund drei Milliarden Euro bringt, sind die Vereine vergleichsweise wenig abhängig von Zuschauer-Einnahmen. Angeblich soll der englische Profifußball deshalb sogar von einem Hilfsprogramm der Regierung für verschiedene Sportarten ausgenommen werden.
Premier League: Zwischen Solidarität und Transfers
Stattdessen wächst wie schon zu Beginn der Pandemie der Druck auf die Liga, sich solidarisch zu zeigen und Vereine weiter unten in der Nahrungskette vor dem Ruin zu retten. So fordert die English Football League, die für die Spielklassen zwei bis vier zuständig ist, angeblich ein Hilfspaket über 200 Millionen Pfund (umgerechnet rund 217 Millionen Euro) von der Premier League. Das ist in etwa die Summe, die Transfer-Meister FC Chelsea in dieser Saison in neues Personal investiert hat, unter anderem für Timo Werner von RB Leipzig und Kai Havertz von Bayer Leverkusen.
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In England wird debattiert, wie solche Ausgaben inmitten der Corona-Krise möglich sind. Trainer Jürgen Klopp äußerte sich kritisch zu den Shopping-Touren von Chelsea und Manchester City, während aber auch sein FC Liverpool knapp 90 Millionen Euro in Zugänge wie Thiago vom FC Bayern steckte.
Chelsea-Trainer Frank Lampard weiß, dass sein Klub unter Beobachtung steht, und schlägt dementsprechend solidarische Töne an. Es sei wichtig, dass die Premier League die unteren Ligen und den Amateur-Fußball unterstütze, sagte der Ex-Nationalspieler. Das klingt gut – mehrheitsfähig in der Premier League ist diese Meinung wohl aber nicht. Insbesondere nach der Absage der Zuschauer-Rückkehr.