Essen. Viele tun Gutes, manche richten Schaden an, einige wenige überschreiten jede Grenze. Es geht um Macht und Ansehen. Was Fußball-Mäzene antreibt.

Eine Fassade aus dunkelrot verwitterten Backsteinen unter einem wuchtigen Ziegeldach. In Straelen duckt sich kurz vor der Grenze zu den Niederlanden eines dieser schnörkellos-gedrungenen Gebäude Wind und Wetter trotzend in die weite Ebene. Vor dem Haus, auf dem Land achtet man noch auf so etwas, recken sich in Kübeln sorgfältig gestutzte Pflanzen der Spätsommersonne entgegen.

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Nur die beiden VW auf dem Parkplatz, deren Kennzeichen sie als Dienstfahrzeuge des Zolls ausweisen, wollen nicht so recht ins Bild passen. Der Klinkerbau beherbergt die Geschäftsstelle des SV Straelen. Die Beamten der Finanzverwaltung, deren Wagen vor der Tür parken, durchforsten Unterlagen des Regionalligisten. Es gehe, sagt Johannes Hoppmann, Oberstaatsanwalt der zuständigen Staatsanwaltschaft Kleve, um „strafprozessuale Maßnahmen“ im Zuge laufender Ermittlungen des Hauptzollamts Duisburg.

Die Beamten schauten bei ihren Ermittlungen nicht nur im Vereinsheim vorbei. Auch bei der Firma des Klubmäzens Hermann Tecklenburg wurden die Beamten vorstellig. Der Bauunternehmer bestätigte dem WDR die Durchsuchung: „Die Zollbehörde geht davon aus, schätze ich, dass einige Spieler, die beim SV Straelen spielen, bei Tecklenburg Scheinverträge haben.“

Viele Gerüchte, wenig Belege

Knapp 3500 Fußballvereine gibt es in NRW. Viele haben Ambitionen, die wenigsten das nötige Geld. Immer wieder sollen Mäzene helfen, etwas Farbe in den sportlich grauen Alltag zu bringen, immer wieder liefern sich Klubs deshalb an einzelne Personen aus. Häufig geht das gut, gelegentlich schreibt das schöne Erfolgsgeschichten, mal geht das aber auch gewaltig schief.

Wer sich mit Kennern des Amateurfußballs unterhält und nachfragt, bekommt schnell Anekdoten von Briefumschlägen mit Geld, von Schwarzarbeit oder Scheinbeschäftigung erzählt. Alles wird hinter vorgehaltener Hand berichtet, weil vieles zwar „jeder weiß“, aber kaum einer etwas belegen kann.

Fälle nachgewiesener Kriminalität sind selten, eine eigenwillige Interpretation der Rolle des Mäzens aber ist kaum zu übersehen. Die Spende wird eben eher als Investment verstanden. Häufig wird auch getauscht: Geld gegen Amt.

Fragwürdige Praktiken mit langer Tradition

Manchmal kommen Fragen auf. Wie jetzt möglicherweise in Straelen, oder wie 2017 beim TSV Marl-Hüls. Auch bei dem damaligen Oberligisten wurde die Steuerfahndung vorstellig, sie vernahm unter anderem Spieler. Geldgeber Lothar Gedenk musste in Folge der Ermittlungen zurücktreten. Nach Informationen dieser Redaktion liegt das Verfahren noch bei der Staatsanwaltschaft Essen. Die wollte sich dazu nicht äußern.

 Erhard Goldbach, Vorsitzender und Mäzen von Westfalia Herne, (l.) und Trainer Heinz Murach
Erhard Goldbach, Vorsitzender und Mäzen von Westfalia Herne, (l.) und Trainer Heinz Murach © imago sportfotodienst

Fragwürdige Praktiken beim Amateurfußball sind dabei keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Der wohl bekannteste Fall eines Mäzens, der bei der Justiz aktenkundig wurde, riss den Traditionsklub Westfalia Herne in den Abgrund. Erhard Goldbach, eigentlich Kohlenhändler aus Wanne-Eickel, baute in den Wirtschaftswunderjahren ein Imperium rund um Tankstellen auf. Ein Erfolgsmodell, das allerdings nur durch Steuerbetrug möglich war. 300 Millionen D-Mark Steuerschulden häufte der Unternehmer auf, er tauchte 1979 kurz im Ausland unter und wurde 1985 wegen Betruges zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Um die Geschäftspraktiken des Fußballmäzens Goldbach bei Westfalia Herne, der sich ab 1973 beim damaligen Regionalligisten eingeklinkt hatte, ranken sich Legenden. Dem DFB reichten die Belege seinerzeit jedenfalls aus, um den Klub aus der 2. Liga in die Oberliga herabzustufen.

Hartnäckige Optimisten beim Fußball

Doch es gibt auch positive Beispiele. Klaus Steilmann war so ein Mäzen, dessen Engagement in guter Erinnerung bleibt. Der im mecklenburgischen Neustrelitz geborene Textilunternehmer, der einst ein europaweit führendes Unternehmen aufgebaut hatte, verhalf dem Verbandsligisten und späteren Zweitligisten SG Wattenscheid 1990 zum Aufstieg in die Bundesliga. Steilmann scheiterte nicht als Mäzen, sondern als Unternehmer.

 Fortuna Kölns Gönner Jean Löring
Fortuna Kölns Gönner Jean Löring © firo Sportphoto

Ähnlich erging es einem anderen Patriarchen alter Schule. Jean Löring, einst selber Fußballspieler, ruinierte sich durch sein Engagement für Fortuna Köln vollständig. Der Unternehmer führte erst sein Unternehmen zum Erfolg, „seinen“ Klub von der Regionalliga in die Bundesliga – und später beide in die Insolvenz. Löring, der verarmt starb, wurde auch deshalb unsterblich, weil er 1999 den Rauswurf Toni Schumachers als Trainer in der Halbzeitpause des Zweitligaspiels gegen Mannheim mit einem erhellenden Satz begründete: „Ich als Verein musste reagieren.“

Selbstaufgabe und Selbstherrlichkeit

So unterschiedlich die Wahl der Mittel der Fußballpatriarchen und Mäzene zwischen Selbstaufgabe und Selbstherrlichkeit sein mag, die Motivation scheint meist gleich. „Es geht um Macht und Ansehen“, sagt der Essener Sportpsychologe Ulrich Kuhl. Es seien oft beruflich sehr erfolgreiche Mittelständler, denen das nicht auszureichen scheine und denen die zusätzliche öffentliche und mediale Präsenz fehle. Kuhl erkennt drei Typen. Es gebe den „Sonnenkönig“, der sich freue, auch ohne viel zusätzliche Arbeit im Rampenlicht stehen zu können. Der „Player“ wolle „hemdsärmelig, aber meist ohne von Materie etwas zu verstehen, in seinem Klub, den er finanziell unterstützt, mitmischen“ und richte dabei eher Schaden an. Schließlich gebe es – sagt der Psychologe – den „Gönner“, der viel fordere, aber auch so viel investiere, dass „die Geschichte für ihn mit einem finanziellen Ruin endet“.

Viel Gutes, eine Menge Durcheinander

In welche dieser Kategorien Oguzhan Can oder Mikhail Ponomarev fallen, ist noch nicht endgültig geklärt. Beide tauchten aus dem Nichts auf, richteten – soweit darf man sich aus dem Fenster lehnen – bei ihren Klubs neben einigem Guten auch eine Menge Durcheinander an.

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Oguzhan Can hatte 2017 die SG Wattenscheid vor dem finanziellen Aus bewahrt: Allerdings tauchte sein Name immer wieder im Zusammenhang mit Querelen um sportliche Leitung und strategische Ausrichtung auf. Sein Engagement konnte nicht verhindern, dass eine Insolvenzverwalterin das Kommando in der Geschäftsstelle übernahm, die Mannschaft sich aus der Regionalliga zurückziehen musste. Im Juli 2019 gab der Aufsichtsratsvorsitzende sein Amt wieder auf.

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Mikhail Ponomarev mischt seit 2015 am Niederrhein einen anderen Traditionsklub gewaltig auf. Immerhin steht in seiner Erfolgsbilanz der Aufstieg des KFC Uerdingen aus der Ober- in die 3. Liga. Der russische Geschäftsmann ist allerdings in der Wahl seiner Mittel offenbar nicht immer zimperlich. So soll er, schrieb Reviersport im Juni dieses Jahres, drei Spielern wegen derer ungenügenden Leistungen die Gehaltszahlung verweigert haben. Bei mehreren Spielern, Trainern und Mitarbeitern endete die Zusammenarbeit vor dem Arbeitsgericht.

Gönner auf einem schmalen Grad

Wer ganz an die Spitze will, wandelt oft auf einem schmalen Grat, an einer Grenze. Manch einer dehnt, manch einer überschreitet sie, sei es in Stilfragen, sei es bei Gesetzen. „Wirklicher Altruismus ist selten. Irgendwas haben diejenigen, die sich in einem Verein engagieren, ja immer davon. Verkürzt kann man feststellen, dass selbstlose Motive immer seltener werden, je höher das sportliche Niveau, je höher also die Ligen der Klubs sind“, fasst Ulrich Kuhl die Motivation der Mäzene beim Amateurfußball zusammen.

Und natürlich gehören dazu immer zwei: Ein Mäzen, der sich seinen Klub kauft, und ein Verein, der für Geld und die Aussicht auf Erfolg seine Selbstbestimmung aufgibt.