Lissabon/Essen. Thilo Kehrer wurde bei Schalke 04 ausgebildet. Am Sonntag fordert er mit PSG im Finale der Champions League die Bayern.
Stefan Böger hat schon unzählige Talente auf ihrem Weg nach oben begleitet. Der 54-Jährige betreute beim Deutschen Fußball-Bund unter anderem die U17-Nationalmannschaft mit Leon Goretzka, Julian Brandt, Timo Werner und Niklas Süle. „Bei diesen Spielern musste man kein gutes Auge haben, um ein überragendes Talent zu erkennen“, sagt Böger im Gespräch mit dieser Redaktion.
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Manch ein anderer junger Fußballer geht die Entwicklungsschritte später. Sie sind dann dafür umso größer. Thilo Kehrer ist das beste Beispiel. Auch er spielte unter Böger, war sogar Kapitän der U-Auswahl, „aber nicht so herausstechend wie die genannten Spieler“.
Heute ist Kehrer 23 Jahre alt, Stammkraft beim Champions-League-Finalisten Paris Saint-Germain und damit Gegner von Bayern München mit Goretzka, Süle, Joshua Kimmich und Serge Gnabry – alle ehemalige Nachwuchsspieler unter Böger. „Thilo zeichnete ein wahnsinniger Fleiß aus, sich in kleinen Schritten zu verbessern“, sagt er. „Mit dieser Arbeitseinstellung hat er es auf ein absolutes Top-Niveau gebracht.“
Tuchel überzeugte den Spieler
Der gebürtige Tübinger hat es damit auch allen Skeptikern bewiesen, die ihm den Sprung von Schalke 04 zur Pariser Starauswahl nicht zugetraut hatten. PSG-Trainer Thomas Tuchel überzeugte Kehrer im August 2018 höchstpersönlich von einem Wechsel an die Seine. 37 Millionen Euro mussten die Franzosen damals nach Gelsenkirchen überweisen – eine große Last für den 21-jährigen Jungprofi, der zu diesem Zeitpunkt gerade mal die erste volle Saison als Stammspieler absolviert hat. „Das war ein sehr mutiger Schritt, der belohnt wurde“, meint Böger. „Wie er sich bei PSG entwickelt hat, nötigt mir allergrößten Respekt ab.“
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In dieser Saison hatte Kehrer lange Zeit eine Fußverletzung außer Kraft gesetzt. Seitdem er wieder voll genesen ist, hat das Talent aus der Schalker Knappenschmiede kaum eine Minute verpasst. Sein größter Konkurrent im Kader, Thomas Meunier, wechselte in diesem Sommer zu Borussia Dortmund. Im Finalturnier der Königsklasse spielte Kehrer gegen Atalanta Bergamo und RB Leipzig über 90 Minuten auf der rechten Abwehrseite durch. Bestätigt er seine Leistungen, wird er vermutlich auch die erste Wahl von Bundestrainer Joachim Löw bei der Europameisterschaft 2021 sein – wie bereits während der Qualifikation und Nations League.
In der Kabine galt der Verteidiger schon als Jugendlicher nie als Lautsprecher, wollte auf andere Art überzeugen. „Er war sehr ehrgeizig, wissbegierig, teamorientiert und nicht zufällig Kapitän unserer deutschen U19-Meistermannschaft 2015“, erinnert sich Schalkes Jugendtrainer Norbert Elgert zurück.
Aus dem Talent reifte ein Außenverteidiger modernster Prägung heran. Beidfüßig und technisch versiert. „Er ist kein Bolzer in der Zweikampfführung, sondern agiert mit feiner Klinge“, beschreibt der ehemalige DFB-Coach Böger. „Das heißt: Thilo löst die Dinge spielerisch mit seiner Technik, antizipiert Situationen, bevor er überhaupt in das Duell mit dem Angreifer muss.“
Drei Schalke-Talente dabei
Das diesjährige Endspiel der Champions League ist auch ein Beweis dafür, dass die Schalker Nachwuchsausbildung zu den besten weltweit zählt. Nicht nur wegen Kehrer: Julian Draxler (26) steht seit 2017 bei Paris unter Vertrag, wurde einst in der Knappenschmiede ausgebildet und debütierte schließlich 2011 bei den S04-Profis. Über den Umweg VfL Wolfsburg ging es für ihn dann zum französischen Spitzenteam. Im Gegensatz zur Kehrer ist Draxler aber im Starensemble um Neymar und Kylian Mbappé bloß eine Einwechseloption. Auch Bayern-Kapitän Manuel Neuer (34) entstammt der Schalker Jugend. „Großartig“, findet das Elgert.
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Stefan Böger wird am Sonntagabend auf der Couch sitzen, das Finale von Lissabon im Fernsehen verfolgen und genau hinschauen, was seine ehemaligen Talente so machen. „Stolz ist das falsche Wort, da an der Entwicklung der Spieler viele Trainerkollegen beim DFB und in den Vereinen beteiligt sind“, sagt Böger. Er sei eher dankbar, dass er mit ihnen arbeiten durfte.