Essen/Oer-Erkenschwick. Gerrit Starczewski organisiert erneut ein Nackt-Fußballspiel. Der Voerder Künstler kritisiert den Kommerz - und BVB-Boss Hans-Joachim Watzke.
Aus Protest gegen die aus ihrer Sicht zunehmende Kommerzialisierung des Profifußballs sind am Sonntag in Oer-Erkenschwick zwei Fußball-Mannschaften nackt gegeneinander angetreten. Bekleidet waren die Teilnehmer des Spiels nur mit Fußballschuhen und Stutzen. Die Stutzen in schwarz und blau dienten gleichzeitig dazu, die Mannschaften auseinanderzuhalten. Die Rückennummern der Spieler waren aufgemalt.
Organisator der Partie im Stimberg-Stadion am nördlichen Rand des Ruhrgebiets war der Künstler Gerrit Starczewski. Die nackten Körper stünden für Natürlichkeit und Authentizität und damit für Eigenschaften, die nicht auf den modernen Fußball zuträfen, erklärte Starczewski bei der Ankündigung der Aktion vor einigen Tagen. Unsere Redaktion hatte vor der Aktion mit Starczewski gesprochen
Mit der Kunstaktion protestiert Starczewski gegen den Schönheitswahn im Internet -- und den Kommerz im Fußball: "Der Fußball geht mir gerade am Arsch vorbei", sagt der 34-Jährige. Erfahrung auf dem Gebiet der Freikörperkultur ist für das Mitwirken an der "Nacktionalmannschaft" nicht zwingend erforderlich, sagt Starczewski: "Es sind auch Leute dabei, die sich noch nie irgendwo nackt gezeigt haben. Sie finden die Message stark", so Starczewski. Vier Fußballer reisten für das Spiel sogar aus Amsterdam an.
Starczewski will die Schönheit des Menschen zeigen
Die Aktion, die nach 2015 und 2016 zum dritten Mal stattfand, hat einen ernsten Hintergrund. Starczewski geht es um drei Dinge. Als Fotograf will er die Bewegungen eines hüllenlosen Fußballspielers darstellen: "Es gibt Millionen Fotos von Fußballern, aber keine Nacktbilder", sagt er. Als Künstler will Starczewski seinen Teil im Kampf gegen den Schönheitswahn auf den Social-Media-Kanälen beitragen. Vor zehn Jahren startete er die Reihe "Naked Heart", in der er nackte Menschen auf Festivals fotografierte. Starczewski will die Schönheit der Menschen zeigen, ungeschminkt, authentsch. Durch Instagram werde ein falsches Schönheitsideal vermittelt, sagt er. "Der Körper ist nur die Hülle, was zählt, ist das Wesen." Deshalb würden am Sonntag auch weder weibliche noch männliche Modell-Typen mitmachen. "Das Spiel soll ein Spiegel für die Gesellschaft sein, der die Doppelmoral entlarvt".
In diesem Jahr verfolgte Starczewski aber noch ein drittes Ziel. Das Spiel fand unter dem Motto "Das System Fußball ist krank - wir ziehen blank" statt. "Der Fußball hätte die Chance in der Corona-Krise nutzen können, um ein Umdenken einzuleiten. Das hat er aber nicht. Es geht nur ums Geld." Er sei ein optimistischer Mensch, beim Fußball glaube er jedoch nicht an Änderung: "Die Kuh wird weitergemolken, obwohl sie längst schreit." Die nackten Fußballer sollen die Natürlichkeit vermitteln, die dem Profigeschäft verloren gegangen sei.
Kommerz-Kritik: "Absoluter Hohn"
Besonders der Auftritt von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der Talkshow von Markus Lanz habe ihn geärgert, sagt Starczewski. Dort hatte der 61-Jährige vor der existenzbedrohenden Lage für die Branche gewarnt, sollte die Liga nicht fortgesetzt werden. Für Starczewski stimmen die Relationen nicht mehr. Künstler wie er seien in ihrer Existenz bedroht, weil die Einnahmen wegfallen. Im März sollte sein Film "Pottoriginale -- Glanz, Gesocks & Gloria" seine Premiere feiern, doch wegen Corona musste diese auf den 12. September verschoben werden. Etwa 30 Kino-Events seien ausgefallen, so Starczewski. "Wenn ein Watzke von Borussia Dortmund hingeht und sich beklagt, sein Verein sei in der Existenz bedroht, ist das ein absoluter Hohn".
Keine Zuschauer in Oer-Erkenschwick
Der traditionsreiche Spielort für "nakedFußball" ist bewusst gewählt. Die Spvgg Erkenschwick gehört für Starczewski zu den Verlierern des Systems. "Ich bin froh, diesem Verein etwas zurückgeben zu können." 2015 spielten die Fußballer bei Westfalia Herne, 2016 im Stadion von Rot-Weiß Oberhausen.
Besondere Hygiene-Auflagen gab es nicht. In NRW dürfen bis zu 30 Personen unter freiem Himmel gegeneinander spielen. Publikum gab es nicht. "Auf Zuschauer hätte ich auch ohne Corona keinen Bock gehabt", sagt Starczewski. Die Aufmerksamkeit ist ihm auch so sicher.