Frankfurt. DFB-Jugendchef Schönweitz kritisiert die Jagd nach den Ausnahmekönnern. Vor allem Bayern München bedient sich in den Akademien der Konkurrenz.

Es ist eine lange Liste von Spielern, die bei der TSG Hoffenheim ausgebildet, entdeckt oder weiterentwickelt worden sind, dass sich irgendwann der FC Bayern bedient hat. Luiz Gustavo, Niklas Süle, Sebastian Rudy und auch Sandro Wagner gingen diesen Weg, mit dem Geschäftsführer Frank Briel auch „überhaupt kein Problem“ hat. Schließlich floss jedes Mal eine angemessene Entschädigung. Passiert das aber bei den Junioren, sagte Briel kürzlich in einem Interview des Vereinsmagazins, „ist es für mich persönlich schwer verständlich“. Gerade erst hat der FC Bayern mit seiner U 23 den Traditionsvereinen der Dritten Liga die Meisterschaft weggeschnappt, was zuvor noch keiner Reserve gelungen war. Würden die Regularien nicht den Aufstieg verhindern, hätte Bayerns II demnächst gegen den Hamburger SV gespielt.

FC Bayern wirbt Talente in Hoffenheim ab

Und doch gibt es offenbar noch nicht genug Toptalente auf dem Münchener Campus: Mit Armindo Sieb und Mamin Sanyang wurden gleich zwei Juniorennationalspieler mit großem Offensivpotenzial, beide 17, aus der TSG-Akademie abgeworben, was Briel mächtig wurmte. Hoffenheim sieht sich um die Früchte seiner inzwischen florierenden Jugendarbeit gebracht. „Es ist auch unter Solidaritätsaspekten zumindest diskussionswürdig, dass der FC Bayern mit einer dreiviertel Milliarde Euro Umsatz nun das Geschäftsfeld der Talentabwerbung derart aktiv betreibt“, schimpfte Briel. Trotz der Europa-League-Teilnahme könne der Klub seinen Kader nicht allein über den Transfermarkt aufbauen, sondern müsse auch Nachschub aus dem Nachwuchs herausbringen. In Corona-Zeiten umso mehr. Doch Münchens Campus-Leiter Jochen Sauer klotzt diesen Krisen-Sommer richtig ran: Vom VfL Wolfsburg kommt zusätzlich der U17-Nationalstürmer Lenn Jastremski.

DFB sind die Hände gebunden

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Der DFB hat gegenüber der längst auf den Jugendbereich übergreifenden Konzentration der Kräfte keine Handhabe. „Ein Gentlemen’s Agreeement wäre wünschenswert, aber sobald auch nur ein Verein ausbrechen würde, würden die anderen nachziehen“, sagt DFB-Junioren-Cheftrainer Meikel Schonweitz im „Kicker“-Interview. „Es ist ein Geschäftsmodell geworden: Je früher ich die Spieler hole, desto größer ist die Marge am Ende.“ Jugendspieler als Spekulationsobjekte mit hohem Renditeversprechen. Die Einschnitte durch die Pandemie werden diesen Trend noch verstärken: Bald jeder will ein Ausbildungsverein sein, der junge Profis aus dem In- und Ausland besser macht.

Unerbittliche Jagd auf den Fußballnachwuchs

Folge ist eine unerbittliche Jagd auf die Ausnahmekönner in den U-Altersklassen. Der Verband kann die Rahmenbedingungen nicht verändern, „weil ein Verbot des Wechsels minderjähriger Spieler nur auf juristischem Wege möglich ist“, erklärt Schönweitz. Beim DFB-Jugendchef ist viel Skepsis herauszuhören, dass Topvereine Bayern, Dortmund, Leipzig die besten deutschen Nachwuchskräfte mit gut dotierten Dreijahresverträgen ködern. „Es ist beim besten Willen kein Vorteil, zu früh zu viel Geld zu bekommen. Es gibt Jungs, die kommen trotz dieser Problematik oben an, es gibt aber auch viele, die genau daran scheitern“, erklärt der 40-Jährige. Bei der inzwischen 20 Jahre alten Stürmerhoffnung Jann-Fiete Arp ist nicht zu behaupten, dass ihm der Wechsel an die Isar bislang sportlich gut getan hat.

Von der langen Liste der noch früher Gestrauchelten erfährt die Öffentlichkeit meist wenig, weil im Rampenlicht nur diejenigen stehen, die es wie der Leverkusener Kai Havertz nach ganz oben schaffen können. Die DFB-Akademie unter Leitung von Tobias Haupt hat sich längst auf die Fahnen geschrieben, den Menschen ins Zentrum zu stellen. Die Individualität weniger in Systeme oder Wettbewerbe pressen, sondern sich mehr mit dem einzelnen Charakter befassen – das soll der Ansatz sein. Der Faktor Persönlichkeitsentwicklung sei zuletzt ein wenig verloren gegangen, gibt Schönweitz zu. „Junge Spieler sollten nicht als Aktien oder Wertgegenstände angesehen werden. Da versuchen wir, Denk- und Herangehensweisen zu verändern.“