Wattenscheid. 30 Jahre nach dem Aufstieg in die Bundesliga geht es als Fünftligist für die SG Wattenscheid 09 weiter. So soll das gelingen.
Noch immer hallt ein Satz von Uli Hoeneß nach. Der für deutliche Worte ebenso bekannte wie gefürchtete damalige Manager des FC Bayern bedachte vor 30 Jahren den Aufstieg der SG Wattenscheid 09 mit der Feststellung, dieser von Unternehmer Klaus Steilmann finanziell empor gehievte Neuling sei „das Schlimmste, was der Bundesliga passieren konnte“. Nun hat die Liga doch keinen nachhaltigen Schaden aus den vier Wattenscheider Jahren zwischen 1990 und 1994 genommen. Der Klub hingegen schon.
Denn die SGW, die als Bundesligist sogar zweimal gegen Bayern München gewann, litt nach dem Abstieg in beängstigender Konstanz unter dem gravierenden Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Damit soll nun Schluss sein: Denn 30 Jahre nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte haben die Verantwortlichen an der Lohrheide selbst einen neuen, ganz anderen Superlativ zum Anspruch gemacht: „Der neue Wattenscheider Weg. Nie war mehr Aufbruch als jetzt.“
Wattenscheid: Vom Profifußball verabschiedet
Dieser Slogan ziert die Internetseite des seit Oktober vergangenen Jahres in der Insolvenz befindlichen Traditionsklubs, der wenige Wochen nach Eröffnung des Verfahrens beim Bochumer Amtsgericht den Spielbetrieb in der Regionalliga einstellen musste. Zur kommenden Saison aber soll es weitergehen. Eine Liga darunter, in der Oberliga, Wattenscheid spielt dann immer noch im gehobenen Amateurbereich. Der Verein soll neu aufgebaut werden, ein Stück Fußballtradition im Herzen des Ruhrgebiets soll so erhalten bleiben. Dafür kämpft ein Team. Allein das ist ein erheblicher Unterschied zur jüngeren Vergangenheit, als der Verein stets Spielball einflussreicher Geldgeber war.
„Der sportliche Erfolg war in Relation zu den Möglichkeiten des Vereins da. Aber wirtschaftlich und strukturell hing der Verein stets hinterher“, sagt Christian Pozo y Tamayo, ehemaliger Video-Analyst und Pressereferent beim Zweitligisten VfL Bochum. Er ist Sportvorstand der SG Wattenscheid – ein Bereich, den der ehemalige Trainer Farat Toku nebenbei mit verantwortete. Gemeinsam mit vier Vorstandskollegen, allesamt Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet, ist der 39 Jahre alte Pozo y Tamayo täglich damit beschäftigt, „Strukturen zu schaffen, die es dem Verein ermöglichen, aus sich heraus zu wachsen“. Anders als zuvor.
Zeitweise getrieben von der kühnen Vision, wieder zu den Großen des Fußballs zu gehören, hatten die Nullneuner eine Menge über sich ergehen lassen. Zuletzt waren es vor allem alleinherrschende Mäzene sowie ein für diesen Verein zu gut gemeintes IT-Projekt, mit dem Wattenscheid 09 zum digitalisiertesten Klub Europas werden sollte. „Luftschlösser wird es bei uns nicht geben“, verspricht Pozo y Tamayo. In Wattenscheid soll es zukünftig ruhiger zugehen, schließlich gelang es nur mit großer Mühe, die Existenz des Vereins tatsächlich zu sichern.
Vom Gedanken, schon bald wieder im Profifußball mitzumischen, haben sich die Wattenscheider Verantwortlichen deshalb vorerst verabschiedet. „Wir arbeiten am Leitbild, am Wirtschaftlichen und an der Außenwirkung des Vereins“, sagt der Sportvorstand. „Wenn die Strukturen da sind, kommt das Sportliche wieder von ganz alleine.“ Das Produkt der Arbeit in diesem Jahr ließ sich daher noch nicht anhand von Toren, Punkten oder Tabellenplätzen ablesen. Vielmehr ist es ein Erfolg, dass mehr als 50 Nachwuchsförderer, ein Hauptsponsor sowie einige Nebensponsoren finanzielle Unterstützung für den Aufbau leisten.
Die SG Wattenscheid schaut optimistisch auf den 20. Juli
Bisher läuft es gut. Pozo y Tamayo schaut optimistisch auf den 20. Juli. Dann hat die SG Wattenscheid 09 einen Termin beim Bochumer Amtsgericht, es findet die Gläubiger-Abstimmung zum Insolvenzplan statt. Der Sportvorstand erklärt: „Derzeit müssen wir jede Handlung mit unserer Insolvenzverwalterin abstimmen. Wenn alles nach Plan läuft, sind wir im August wieder selbstständig.“